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Buchvorstellung: Gutes Essen – Arme Erzeuger

Rudolf Buntzel und Francisco Marí haben nach mehreren Jahren Recherche zusammen mit Brot für die Welt ihr Buch "Gutes Essen - arme Erzeuger. Wie die Agrarwirtschaft mit Standards die Nahrungsmittelmärkte beherrscht" vorgestellt. Im Rahmen von zwei Veranstaltungen in Berlin und in Kirchberg/Jagst nahmen weitere Referenten zu den Themen des Buches Stellung. An den beiden Fach-Veranstaltungen nahmen jeweils etwa 40 Personen teil.

 

Von Ehemalige Mitarbeitende am

Am 2. Juni stellte Brot für die Welt das Buch „Gutes Essen – arme Erzeuger. Wie die Agrarwirtschaft mit Hilfe von Standards die Weltmärkte beherrscht“ in Berlin vor. An den folgenden Tagen beteiligte sich Brot für die Welt an einer Wochenendtagung der Akademie Stiftung Haus der Bauern in Kirchberg/Jagst, Nordwürttemberg. Die Veranstaltungen dienten dem Zweck auf das Thema und das Buch aufmerksam zu machen, in Berlin die Fachwelt und die Politik, in Süddeutschland den Schulterschluss mit Agrarkreisen zu suchen.

Dr. Luise Steinwachs, Referatsleiterin der Politikabteilung „Grunddienste und Ernährungssicherheit“  von Brot für die Welt, begrüßte die Teilnehmer in Berliner und führte aus, wie es zur Entstehung der Studie gekommen ist.  Brot für die Welt fördert seit zig Jahren Projekte in Entwicklungsländern zum Fairen Handel und zum Ökolandbau und ist auch in den weltweiten Dachorganisationen tätig.  Diese zwei Urtypen von Lebensmittelstandards, die jeder kennt und so positiv besetzt sind, werden durch das Aufkommen einer Schwemme von Nachhaltigkeits-Label ins Hintertreffen gebracht, wobei zunehmend die globalen Supermarktketten selbst die neueren Lebensmittelstandards bestimmen.  Beispiel dafür ist Global G.A.P. Brot für die Welt steht zu dem Instrument: Kennzeichnung von Waren um Produktionsmethoden sichtbar zu machen. Das ist für die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele und für mehr Ethik in den internationalen Marktbeziehungen äußerst wichtig. Wir sind besorgt, dass dieses Ziel in der Flut der vielen, zum Teil auch wenig strengen Lebensmittelstandards untergeht.

Prof. Dr. habil. Ulrich Hoffman kommt von der UNCTAD, wo er ein Sonderprogramm aufgebaut und bis vor Kurzem geleitet hat, dass sich zusammen mit vielen anderen UN-Organisationen mit Nachhaltigkeitsstandards in globalen Lieferketten auseinandersetzt, das UNFSS (UN Forum on Sustainability Standards). Herr Hoffman war bei beiden Treffen von Brot für die Welt Hauptreferent, und außerdem hat er zu dem Buch das Vorwort geschrieben.  Die UNFSS bringt jährlich mit Teams internationaler Wissenschaftler einen „Flagship-Report“ heraus, der sich global mit den Tendenzen im Standardbereich prominent auseinandersetzt.

Auf Grund des globalen Überblicks problematisiert Hoffmann die Tendenzen, die sich bei den privaten Nachhaltigkeitssiegeln heute abzeichnen. Die Hauptprobleme, die er sieht, ist die unregulierte Inflation von Siegeln, die es für die Verbraucher und die Erzeuger gleichermaßen schwierig macht einen Überblick zu wahren. Die Anforderungen werden willkürlich so hoch gesetzt, dass die meisten kleinen Erzeuger überall auf der Welt von den lukrativen Märkten ausgeschlossen bleiben. Die Standardsetzer sind größtenteils die großen Supermarktketten des Nordens, die wenig Rücksicht auf die speziellen Verhältnisse kleinstrukturierter Landwirtschaften der Entwicklungsländer nehmen. Die Summe der Auflagen, die gemacht werden, bildet die Ansprüche an echte Nachhaltigkeit kaum ab, zumal sie oft eindimensional sind, nur an einem einzigen Produkt ansetzen und eine rein betriebswirtschaftliche Vorgehensweise darstellen. So entsteht leicht der Eindruck von „Greenwashing“, das heißt dass sich Konzerne ökologische Alibis verschaffen, ohne wirklich auf eine Wende der Landwirtschaft hinzuwirken.

Christopf Simpfendörfer war als Geschäftsführer von Demeter International zu dem Fachgespräch eingeladen, um als Praktiker der Ökolandwirtschaft über die globalen Erfahrung seines Verbands mit der Zertifizierung zu berichten. Dabei hat alleine die biologische Landwirtschaft es geschafft, dass ein vormals privates Label einen gesetzlichen Schutz bekam. Aber jetzt redet der Staat den Bioanbauverbänden so sehr rein, dass die EU dabei ist die Marktnische zu zerstören. Der Bauer steht immer mit einem Bein im Gefängnis. Die Zertifizierung und Betriebsaudits seien so teuer und engstirnig, dass dem Landwirt als Unternehmer die Betriebsführung streitig gemacht wird. Neue Formen des Audits seien notwendig, die nicht von isolierten Kontrollpunkten ausgehen, sondern höherwertig Lern- und Beratungssystem darstellen. „Wir wollen uns an landwirtschaftlichen Prinzipien orientieren, so dass der Bauer selbst entscheiden kann, welches der nächste Schritt auf seinem Hof sein sollte.  Standards sind ein Diktat von außen, aber Landwirtschaft ist ein lebendiges System; das passt nicht zusammen“.

Frau Dr. Tanja Busse, eine bekannte Autorin von Büchern der Verbraucherpolitik, leitete eine Diskussion mit den beiden Buchautoren, die Brot für die Welt – Mitarbeiter Rudolf Buntzel und Francisco Mari. Dabei ging es ihr im Wesentlich darum, die möglichen Alternativen zu dem gegenwärtigen System der privaten Lebensmittelstandards auszuloten.  Kritisch hinterfragte sie den Ansatz der Autoren, zu sehr auf eine Rahmengesetzgebung privater Standards durch den Staat zu setzen. Die Autoren machten deutlich, sie seien nicht für ein dirigistisches System, sondern für staatlich gesetzte Gütekriterien von Standards, um Glaubwürdigkeit und Transparenz in dem Bereich zu verwirklichen.  Auf die Frage nach Möglichkeiten, kleine Erzeuger besser zu integrieren, referierten sie dann mögliche Reformschritte, wie z.B. Kleinbauernausnahmen, Gruppenzertifizierung, Bestätigungssysteme nicht durch Zertifizierungssysteme, sondern durch Verbraucher-Erzeuger-Kommissionen. Auf den Verweis, im Buch würde die Lanze gebrochen für den Einsatz auch gefährlicher Pestizide in Entwicklungsländern, wehrten sich die Autoren. An dem Kenia-Beispiel mit den Problemen mit Dimethoade-Verschmutzung grüner Bohnen wollten die Autoren nur zeigen, dass den Exporten der Entwicklungsländern nicht nur mit polizeilichen Mitteln in Europa begegnet werden sollte, sondern dass sie echte Hilfe brauchen, um Rückstände in den Griff zu bekommen.

In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum  kam die Frage auf, ob es denn sinnvoll sei bei der Nahrungsmittelsicherheit irgendwelche Kompromisse zu schließen. Hier verwiesen die Autoren auf internationale wissenschaftliche Maßstäbe, an die sich alle zu halten haben, wie z.B. die Codex alimentarius, aber verwehrten sich gegen Willkür und Diskriminierung. Auf die Frage, ob es denn ohne Zertifizierungsfirmen gehe, erwiderten die Autoren, dass Zertifizierung auch mit Fingerspitzengefühl machbar sein, statt dass die Zertifizierer nur als Inspektoren auf den Hof kommen; das ganze System müsste mehr in Richtung Beratung gehen. Zudem fehle jegliche Wirkungsanalyse von dem teuren System. Es funktioniere lediglich, weil es alle Beteiligten so wollen.  Es wird nach Standards zum Klimawandel und gegen Wasservergeudung gefragt. Antwort: Hier stehe man noch ganz am Anfang, und der Bereich sei so breit, dass ein sinnvolles Kriterienraster schwierig aufzustellen sei.

Bei der Veranstaltung in Kirchberg/Jagst hielt zur Begrüßung Herr Rudolf Bühler, Geschäftsführer der BESH und Stifter der Stiftung Haus der Bauern, einen einführenden Vortrag, der am nächsten Tag durch seinen Mitarbeiter, Christoph Zimmer, vertieft wurde. Beide wiesen darauf hin, in welchem Zwiespalt bäuerliche Erzeugergemeinschaften stehen, wenn sie Marktnischen aufbauen wollen. Einerseits sind sie auf Labels und Zertifizierung angewiesen, um die Besonderheit ihrer Produkte herauszustellen. Anderseits ist das System aus dem Ruder gelaufen. Die BESH allein ist an der Zertifizierung von acht Programmen beteiligt. Das bedeutet einen riesigen Verwaltungsaufwand und hohe Kosten. Nur hat sich bisher nichts Besseres herausgebildet.

Der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner, Agrarsprecher der Fraktion der Grünen, hält ein ausführliches Referat zur Standardthematik. Engagiert und kompetent führt er die Vor- und Nachteile von privaten Standardinitiativen aus und setzt sich für eine verbesserte staatlich Aufsichtspflicht ein.  Am Beispiel der weltweiten Vorsorgemaßnahmen bei der BSE-Seuche zum Rinderwahnsinn zeigte Ulrich Hoffmann auf, wie Seuchenbekämpfung die Macht und Gewinnmöglichkeiten der Experten – Veterinäre in diesem Fall – stärkt und zu überzogenen und eurozentristischen Standards in der Welt führte. Francisco Mari demonstriert am Beispiel von MSC, wie ein privater Standard quasi ein Weltmonopol erlangt und verhindert, dass neue, bessere Standards aufkommen.

 

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