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Ein "weiter so" darf es nicht geben

Auch nicht in der Handelspolitik. Engagierte Debatte über die Agenda 2030 und ihre Konsequenzen für den Welthandel.

Von Thilo Hoppe am

Wie muss eine Handelspolitik „gestrickt“ sein, die zur Überwindung von extremer Armut und Hunger beiträgt, die Ungleichheit zwischen und in den Staaten verringert und dabei den Druck auf die Ökosysteme nicht erhöht? Um diese Kernfrage ging es bei einer öffentlichen Veranstaltung von Brot für die Welt am 14. Februar in Berlin.

Vor rund 120 Zuschauern forderten alle Experten auf dem Podium, die Handelspolitik in Einklang mit der Agenda 2030 zu bringen, die im Herbst 2015 auf einer Sondervollversammlung der Vereinten Nationen von allen Staats- und Regierungschefs beschlossen wurde. Doch wie kann es gelingen, die handelspolitische Strategie Deutschlands und der EU so zu verändern, dass sie die Erreichung der 17 neuen globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs; Kernstück der Agenda 2030) nicht erschwert sondern befördert? An dieser Frage schieden sich die Geister.

Falkenberg fordert Paradigmenwechsel in Politkbereichen

Karl Falkenberg, zur Zeit Professor in Oxford, hat in seinem Leben bisher mehrere Stationen durchlaufen, die viel mit dem Thema zu tun haben: Er koordinierte von 2001 bis 2009 die Verhandlungen der Freihandelsverträge der EU und gilt auch als einer der Architekten der umstrittenen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten. Dann war er bis 2015 als Generaldirektor für die Umweltpolitik der Europäischen Kommission zuständig und fungierte danach als Nachhaltigkeits-Chefberater von EU-Kommissionspräsident Claude Juncker. In seinem „Falkenberg-Bericht“ zur Umsetzung der Agenda 2030 durch die EU fordert er einen Paradigmenwechsel in vielen Politikbereichen – beispielsweise in der Agrarpolitik, die viel nachhaltiger werden müsse, aber auch in der Handelsstrategie. Ein „weiter so“ dürfe es nicht geben. Das wiederholte Falkenberg auch in der Podiumsdiskussion. Die Regeln müssten so verändert werden, dass Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsbelange mehr Gewicht bekämen.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, ehemalige Bundestagsabgeordnete (SPD) und jetzige ehrenamtliche Beraterin von Verdi-Chef Frank Bsirske, monierte, dass in den jetzigen Handelsverträgen der EU die Menschenrechtsklauseln und Nachhaltigkeitskapitel im Grunde genommen nur Empfehlungen seien und kaum Konsequenzen nach sich zögen, wenn man sich nicht daran halte: „Der Verkehr auf den Autobahnen würde auch nicht funktionieren, wenn es keine klaren, verbindlichen Regeln gäbe, deren Nichtbefolgung bestraft wird.“

Während Gunther Beger vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Korrekturen in der Handelspolitik der EU einforderte, um mehr Kohärenz mit den Zielen der Agenda 2030 zu erreichen, war Dr. Heinz Hetmeier vom Bundeswirtschaftsministerium in dieser Frage zurückhaltender. Begers Forderung, den europäischen Markt auch stärker für Tomaten aus Nordafrika zu öffnen, bezeichnete Hetmeier als „steile These“, weil solche Bestrebungen auf heftigen Widerstand von südlichen Mitgliedsstaaten der EU stoßen würden.

Dr. Klaus Seitz von Brot für die Welt forderte, den Entwicklungsländern mehr politischen Spielraum zuzugestehen, um sensible Märkte vor Billig-Konkurrenz aus der EU zu schützen.

Auch Beger meinte, es dürfe nicht sein, dass in einigen afrikanischen Staaten Entwicklungserfolge durch die unbegrenzte Einfuhr von billigem Milchpulver und Geflügelteile aus der EU wieder zunichte gemacht würden.

Eine Kontroverse entzündete sich an der Frage, ob schon jetzt die Staaten Afrikas die Möglichkeit hätten, sich vor Dumping-Einfuhren aus Europa zu schützen, sie diese Möglichkeiten aber nicht nutzen würden – oder ob dazu andere Regeln und Korrekturen an den EPAs nötig seien.

Sicherstellen der eigenen Produktion durch Quotenregelung?

Von Brot für die Welt wurde eine Quotenregelung ins Gespräch gebracht, die es den Entwicklungsländern ermöglichen würde, eine gewisse Menge von Einfuhren, die zur Deckung des Bedarfs nötig sei und nicht durch eigene Produktion sichergestellt werden könne, mit einem niedrigen und alles, was darüber hinausgeht, mit einem hohen Zollsatz zu belegen.

Während sich Karl Falkenberg mit einer solchen Regelung „anfreunden“ konnte, behauptete Heinz Hetmeier, solche Quotenregelungen seien auch heute schon erlaubt und wer das Gegenteil behaupte, verbreite „alternative Fakten“. Im Nachgespräch nahm er dies jedoch zurück. Bei den vielen engagierten Gesprächen beim Imbiss an den Stehtischen spielte die Quotenregelung eine wichtige Rolle.

Karl Falkenberg meinte, jetzt müsste sich eigentlich ein intensives Fachgespräch anschließen, bei dem diese Vorschläge intensiver geprüft und weiterentwickelt werden.

Natürlich wurden noch viele andere Aspekte auf dem Podium und im Gespräch mit dem Publikum diskutiert – von CETA über das „alternative Handelsmandat“ und die neue Studie von Brot für die Welt über die (Un)wirksamkeit der Menschenrechtsklauseln und Nachhaltigkeitskapiteln in den Freihandelsabkommen der EU. Darauf einzugehen würde aber den Rahmen der Berichterstattung sprengen. 

 

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