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„Die G7-Staaten verfolgen nur ihre eigenen Interessen“

Von Sven Hilbig am

Wenn über die G7 und den bevorstehenden Gipfel im bayrischen Elmau berichtet wird, dann kommen in erster Linie die Positionen der sieben Regierungen zu Wort. Daneben ist noch ein wenig Platz für kritische Kommentare, Einschätzungen und Erwartungen, die von zivilgesellschaftlicher Seite aus Deutschland und den anderen G7-Staaten formuliert  werden. Die Positionen von Vertretern aus dem globalen Süden finden hingegen so gut wie kein Gehör. Dies ist erstaunlich. Denn die G7 schickt sich an Weltpolitik mit zu bestimmen. Angefangen vom Meeresschutz über Armutsbekämpfung, bis hin zu mehr Sorgfaltspflichten in den globalen Handels- und Lieferketten sowie armutsassoziierte Krankheiten, wie Ebola. Brot für die Welt wird in den kommenden Wochen immer wieder Stimmen von unseren Partnern aus Afrika, Asien und Lateinamerika zu Wort kommen lassen. Beginnen wollen wir mit einem Beitrag von Cândido Grzybowski von unserer brasilianischen Partnerorganisation IBASE.

Keine Erwartungen an die G7

Die G7-Gruppe ist nach wie vor ein wichtiges internationales Gremium.  Das wird auch der diesjährige Gipfel in Deutschland zeigen, allein schon wegen der zahlreichen akuten Konflikte wie der Krieg in der Ukraine. Die globalen Veränderungen haben die Bedeutung der G7 nicht gemindert, im Gegenteil: Im Kapitalismus geht es stets darum, oben zu bleiben und einen Aufstieg der anderen zu verhindern. Den G7-Staaten geht es um den Erhalt und den Ausbau ihrer Hegemonie-Position. Es ist ein exklusiver Klub, der im Gegensatz zur UNO nur informell existiert, aber effektive Machtpolitik betreibt. Das zeigt schon der Umgang mit Russland, das von den USA und den westeuropäischen Staaten als Konkurrenz, und sogar als Bedrohung verstanden wird.

Es geht der G7-Gruppe ausschließlich um Macht und Hegemonie. Deswegen hat diese Gruppe für mich keinerlei Legitimität. Dieser Anspruch ist von Seiten der Zivilgesellschaft immer wieder in Frage gestellt worden. Das betrifft allerdings auch andere Staatenbündnisse, die in letzter Zeit entstanden sind. Zum Beispiel die G20, die nur dazu dient, dem Modell der G7 neues Leben einzuhauchen. Oder die BRICS-Staaten: Das ist ebenfalls ein informelles Bündnis, das eigene Wirtschaftsinstitutionen wie eine Bank und einen Währungsfonds gegründet hat und sich gegen die Dominanz von US-Dollar und Euro stellt. So eine Initiative ist nachvollziehbar, aber genauso wie die G7 fehlt ihr jede Legitimität. Eine nachhaltige, solidarische Welt dürfen wir uns von solch einer Initiative nicht erwarten. Darüber hinaus besorgt mich bei den BRICS, dass Länder wie China und Russland keine demokratische Tradition haben.

Für welche Werte stehen die G7

Es ärgert mich, wenn sich die G7-Staaten als Wertegemeinschaft bezeichnen. Es geht ihnen doch nur darum, ihre eigenen Interessen zu verteidigen. Um ihre Macht zu bewahren, führen die USA oder Frankreich ständig Kriege. Geht es ihnen dabei etwa um Menschenrechte?

Natürlich gibt es so etwas wie einen westlichen Lebensstil, die konsumorientierte Kultur, einen gewissen Eurozentrismus. Das sind Werte, einschließlich der Ansicht, besser als andere zu sein. Aber ich betrachte die Frage der kulturellen Werte auch aus unserer, der brasilianischen Sicht: Was bringt es uns, dass wir nach Überwindung der Diktatur uns im Rahmen der BRICS mit China verbünden? Es birgt ein großes ökonomisches Potential, ja. Aber das ist eine sehr pragmatische Sichtweise. Brasilien musste dafür die Kröte schlucken, dass Themen wie Menschenrechte oder Tibet nicht angesprochen werden dürfen. Das haben wir sogar vertraglich unterschrieben.

Interessant ist, dass Hegemonie heute immer mehr von militärischer Macht als von wirtschaftlicher Legitimität abhängt. Europa ist dafür ein gutes Beispiel. Der Kontinent hat viel an ökonomischem Einfluss verloren, aber seine Macht ist unverändert. Und jetzt untergräbt es auch noch ein solidarisches Projekt wie es die Europäische Union ist. Deutschland spielt dabei eine wichtige Rolle. Das ist im Süden Europas deutlich zu sehen. Was sind das für Werte, die im Umgang mit Griechenland deutlich werden? Das Land wird allein gelassen, hat jetzt viel mehr Schulden als zuvor und leidet unter einer absurden Arbeitslosigkeit.

Beim kommenden Gipfel wird die Frage des Freihandels, insbesondere TTIP, eine große Rolle spielen. Aber die Tendenz wird die gleiche sein: die großen Staaten Europas werden die Kleinen an den Rand drängen.

Die G7 sind keine Vorreiter bei Thema Nachhaltigkeit

Da die G7-Staaten zusammen sehr viel Einfluss haben, bestimmen sie auch die Debatten in anderen Foren. Zum Beispiel die Millenniumsziele, die nicht sonderlich ambitioniert formuliert worden waren. Und in der Frage der Nachhaltigen Entwicklung hat die UNO den Begriff der ‚Grünen Wirtschaft‘ als Leitbild übernommen, also ein kapitalistisches Modell, dass sich nicht gegen ihre Interessen richtet.

Ähnlich verhält es sich bei der Klimafrage. Eine ernsthafte Lösung des Problems der Erderwärmung wird beim G7-Gipfel nicht diskutiert. Zugleich wird auf der Klimakonferenz in Paris im Dezember kein Beschluss getroffen, der nicht zuvor von den mächtigen Staaten abgesegnet worden ist. Sie stehen im Zentrum dieses Problems, ähnlich wie China und die BRICS-Staaten. Doch da sich alle gegen wirkliche Veränderungen stemmen, wird nichts entschieden. Viele schöne Worte, aber das Problem wird aufgeschoben.

Dabei macht gerade der Klimawandel deutlich, dass Alternativen, dass grundsätzliche Veränderungen notwendig sind. Denn dieses Problem muss innerhalb einer Generation gelöst werden. Doch leider ist die Zivilgesellschaft heute sehr demobilisiert. Wir haben kaum Potential, Einfluss auf die Entscheidungsträger zu nehmen. Viele Widerstandsbewegungen sind sehr lokal orientiert, statt eines breiten repräsentativen Prozesses setzen sie eher auf direkte Aktionen und direkte Demokratie.

 

Egoistische Nationalstaaten statt fortschrittlicher Politik

Das war schon mal anders. Durch den Neoliberalismus sind seit den 90er Jahren viele Errungenschaften verloren gegangen. Es ist uns nicht einmal gelungen, den Krisenmoment von 2008/2009 zu nutzen. Im Gegenteil, statt Alternativen zu formulieren, denkt jeder, denkt jedes Land nur an sich selbst. Ich bin der Meinung, dass die Nationalstaaten heute das größte Hindernis für einen Fortschritt der Menschheit sind. Nationalstaaten sind oft schlicht eine Rechtfertigung für Barbareien. Kritik wird jeweils mit dem Hinweis auf interne Angelegenheiten abgewehrt. Auch Staatenbündnisse ändern daran nichts.

Deswegen erwarte ich vom G7-Treffen im Juni keinerlei Fortschritte, auch wenn Deutschland andere Themen, einen Dialog mit der Zivilgesellschaft und eine Annäherung mit afrikanischen Staaten auf die Tagesordnung gesetzt hat. Was wird ein solcher Dialog Afrika bringen? Soll auch Afrika eine Austeritätspolitik verfolgen? Ich vergleiche es mit dem, was Deutschland mit Griechenland gemacht hat. Denn es geht um ökonomische Interessen, und Deutschland ist sehr darauf angewiesen, natürliche Rohstoffe aus dem Ausland zu importieren. Und derzeit ist es China, das die engsten Wirtschaftsbeziehungen zu Afrika unterhält. Deutschland hat nicht viele Waffen und ist keine Militärmacht. Deswegen setzt das Land auf andere Mechanismen zur Durchsetzung seiner Interessen. Eine Art Soft-Hegemonie.

Der Soziologe Cândido Grzybowski arbeitet seit 25 Jahren bei der Nichtregierungsorganisation IBASE (Instituto Brasileiro de Análises Sociais e Econômicas) und stand bei der Gründung des Weltsozialforums Pate. Er ist Mitglied der 10-köpfigen Global Reference Group von Brot für die Welt. IBASE ist ein langjähriger Partner von Brot für die Welt, mit Sitz in Rio de Janeiro.

Der Beitrag beruht auf einem Gespräch, das Andreas Behn mit Cândido Grzybowski führte.

 

 

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