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Social Protection in der Post-2015-Agenda und in der Addis Ababa Action Agenda

"Social Protection" ist prominent in den beiden Agenden enthalten. Doch wie die Finanzierung sozialer Sicherung insbesondere in wirtschaftlich armen Länder und wie die internationale Verpflichtung reicher Länder aussehen sollen, bleibt offen.

 

Von Dr. Luise Steinwachs am

"Social Protection" nimmt seit Beginn der Verhandlungen um die Post-2015-Agenda einen prominenten Platz ein. Seit dem 12. August liegt die Fassung des Textes vor, der im September 2015 auf dem UN-Sondergipfel in New York verabschiedet werden soll. Entscheidend ist dann, wie die Umsetzung erfolgt. Hier gibt es noch wenige Zusagen, wie die "global solidarity" Wirkung zeigen soll.

Social Protection in der Einleitung der "2030 Agenda for Sustainable Development"

Zu Beginn des Eingangstextes (Paragraph 7) wird social protection neben Gesundheit, Bildung, Zugang zu Wasser etc. als eine soziale Dienstleistung aufgezählt. Dies wird der umfassenden Bedeutung von social protection für die Armutsbekämpfung und die Beseitigung von Ungleichheit nicht gerecht.

Erfreulicher Weise gibt es seit 26. Juli einen zusätzlichen Absatz, der social protection in Zusammenhang mit grundsätzlicher Armutsbekämpfung setzt. Das ist zu begrüßen:

24. We are committed to ending poverty in all its forms and dimensions, including by eradicating extreme poverty by 2030. All people must enjoy a basic standard of living, including through social protection systems.

Außerdem steht am Beginn der Post-2015-Agenda ein klares Bekenntnis zur Realisierung der Menschenrechte für Alle weltweit, was das Menschenrecht auf soziale Sicherheit (AGM Artikel 22, 1948) einschließt.

Die Ziele

Social protection wird direkt oder indirekt thematisiert in folgenden Zielen der Post-2015 Agenda:

  • Armut (1.3)  “Implement nationally appropriate social protection systems and measures for all, including floors, and by 2030 achieve substantial coverage of the poor and the vulnerable”.
    “Including floors“ bezieht sich auf die ILO-UN-Social Protection Floors Initiative und die Empfehlung 202 der ILO (2012) zu social protection floors.
  • Armut: In traget 1.5. gab es kurzzeitig die Erweiterung “protection und humanitarian assistance”: “1.5 By 2030, build the resilience of the poor and those in vulnerable situations, including through assistance to those affected by complex humanitarian emergencies, and reduce their exposure and vulnerability to climate-related extreme events and other economic, social and environmental shocks and disasters.“ (Version vom 8. Juli 2015)
    Leider ist 1.5. „protection and humanitarian assistance" aus dem aktuellen Dokument wieder gestrichen worden.
  • Gesundheit (3.8) – “Achieve universal health coverage, including financial risk protection, access to quality essential health-care services and access to safe, effective, quality and affordable essential medicines and vaccines for all”.
    “Financial risk protection“ und Universal Health Coverage (UHC) sind Dimensionen umfassender sozialer Sicherung.
  • Gender (5.4) – im Zusammenhang mit unbezahlter Arbeit und Hausarbeit soll soziale Sicherung gewährleistet sein: „Recognize and value unpaid care and domestic work through the provision of public services, infrastructure and social protection policies“
  • Decent work (8.5) –„By 2030, achieve full and productive employment and decent work for all women and men“.
    Soziale Sicherheit ist hier ein Teilbereich des Konzeptes „decent work“. Die ILO Decent Work Agenda umfasst die Schaffung von Jobs, die Garantie von Arbeitsrechten, die Erweiterung sozialer Sicherheit, den sozialen Dialog.
  • Ungleichheit (10.4) – Im goal 10. "Reduce inequality within and among countries", also im Kontext der Reduzierung von Ungleichheit, wird social protection als eine Strategie benannt: 10.4 “Adopt policies, especially fiscal, wage and social protection policies, and progressively achieve greater equality.”
    Gleichzeitig ist die Reduzierung von Ungleichheit im einleitenden Teil der Agenda mit Bezug auf die Stabilität wirschaftlicher Grundlagen deutlich geschwächt worden: In Paragraph 28 hieß es “This will only be possible if wealth is shared through progressive policies aimed at redistribution.“ Seit Ende Juli heißt es:  “This will only be possible if wealth is shared and income inequality is addressed.” (para 27)

Die Finanzierung sozialer Sicherheit

(Quelle: Development initiatives: Getting poverty to zero: financing for social protection in least developed countries, May 2015):

  • In Ländern mit geringem Einkommen erreichen Programme sozialer Sicherung nur ca 20% der in extremer Armut (1,25 USD ppp) lebenden Bevölkerung.
  • In sub-Sahara Afrika decken Programme im Durchschnitt nur 10% der für ein Leben über der Armutsgrenze notwendigen Mittel ab.
  • Derzeit liegt der Betrag für soziale Sicherung für in extremer Armut lebende Bevölkerung in Ländern mit geringstem Einkommen bei 10 USD per capita pro Jahr (1% GDP). Notwendig, um die extremste Armut zu beseitigen, wären 49 USD. DAC-Geberländer finanzieren derzeit 4 USD pro Person pro Jahr der sozialen Sicherungsprogramme in LDCs. (Es gibt zwar keine ODA für social protection, die Autoren von Development Initiatives haben aber die jeweiligen Bereiche identifiziert und darauf bezogen zusammen gefasst einschließlich Nahrungsmittelhilfe in Katastrophensituationen.)
  • 88% der notwendigen Mittel für Sozialtransfers für Menschen in extremer Armut stehen nicht zur Verfügung. Notwendig sind Steuererhöhungen, Bekämpfung von Steuerflucht, Erhöhung von ODA und die Etablierung weiterer internationaler Finanzierungsinstrumente.

Das FfD outcome document "Addis Ababa Action Agenda" AAAA

Es wird Regierungen erschwert, Steuern zu erheben, wenn sie keine ausreichenden Möglichkeiten haben, Steuerflucht und Steuerhinterziehung zu bekämpfen (s. European Parliamen Report on tax avoidance and tax evasion as challenges for governance, social protection and development in developing countries, Juni 2015). Hier hat die FfD-Konferenz in Addis Abeba keine Fortschritte gebracht. Die Einrichtung einer internationalen Struktur auf UN-Ebene zur Bekämpfung von Steuerflucht wurde nicht verfolgt. So kann die wichtige Möglichkeit der Finanzierung sozialer Sicherungssysteme durch Steuern in wirtschaftlich arme Länder nicht voll genutzt werden.

Soziale Sicherheit in der Addis Ababa Action Agenda

 

12. Delivering social protection and essential public services for all.To end poverty in all its forms everywhere and finish the unfinished business of the Millennium Development Goals, we commit to a new social compact. In this effort, we will provide fiscally sustainable and nationally appropriate social protection systems and measures for all, including floors, with a focus on those furthest below the poverty line and the vulnerable, persons with disabilities, indigenous persons, children, youth and older persons. We also encourage countries to consider setting nationally appropriate spending targets for quality investments in essential public services for all, including health, education, energy, water and sanitation, consistent with national sustainable development strategies. We will make every effort to meet the needs of all communities through delivering high-quality services that make effective use of resources. We commit to strong international support for these efforts, and will explore coherent funding modalities to mobilize additional resources, building on country-led experiences.

Positiv ist anzumerken, dass es überhaupt einen ausführlichen Absatz zu sozialer Sicherheit gibt, der international von Regierungen erarbeitet wurde und anerkannt ist. Die Regierungen haben in Addis ihre Selbstverpflichtung bestätigt, nationale soziale Sicherungssysteme zu entwickeln und vor allem die soziale Grundversorgung für Alle zu garantieren. Erstmals wird damit im UN-Prozess der Entwicklungsfinanzierung die Bedeutung des Themas sozialer Sicherheit für nachhaltige Entwicklungsprozesse benannt.

Öffentliche Dienstleistungen sollen qualitativ gut und für Alle zugänglich sein.

Darüber hinaus enthält er Aussage zu internationalen Verpflichtungen, zusätzliche Finanzmittel bereit zu stellen. Die in einer früheren Version benannte Option eines globalen Fonds ist im Schlussdokument nicht mehr enthalten. Stattdessen wird unverbindlich formuliert: “We commit to strong international support for these efforts, and will explore coherent funding modalities to mobilize additional resources, building on country-led experiences.” Es bleibt jedoch offen, wie dies konkret aussehen kann.

Hinzuweisen ist darauf, dass es nicht, wie in der AAAA formuliert, um einen new social compact geht, sondern um das Einlösen bereits bestehender menschenrechtlicher Verpflichtungen, soziale Grundsicherung weltweit umzusetzen. Das Menschenrecht auf soziale Sicherheit besteht bereits seit 1948 und ist seither in verschiedenen menschenrechtsbezogenen Dokumenten differenziert und ausformuliert worden.

Die Referenz auf ILO Recommendation zu social protection, die ursprünglich in dem Dokument war (FfD outcome document 16. März 2015 "31:  ... we will  ... support the implementation of nationally appropriate social protection systems and measures for all, including floors,  ... as provided for in the International Labour Organization’s (ILO) Recommendation 202), ist wieder gestrichen worden. Die Recommendation, die von den 185 ILO Mitgliedsstaaten einmütig verabschiedet worden ist, gibt klare Empfehlungen, wie soziale Sicherheit (social protection floors) konkret national umgesetzt werden sollte. Obwohl dieser Bezug gestrichen worden ist, gibt der Einschub „including floors“ im verabschiedeten Dokument noch immer einen klaren Hinweis auf die Social Protection Floors UN-Initiative. In der AAAA heißt es „nationally appropriate social protection systems and measures for all, including floors”.

Nun wird es darum gehen, wie tatsächlich soziale Sicherung, insbesondere Grundsicherung, für alle Menschen weltweit umgesetzt wird.

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