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TTIP: Vier Buchstaben, viele Probleme

Big Brother, Big Business, Big Family? Diese drei Alternativen standen im Zentrum eines Gesprächs zwischen dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel über das Wirtschaftsabkommen „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP) auf dem Stuttgarter Kirchentag.

 

Von Michael Billanitsch am

Big Brother, Big Business, Big Family? Diese drei Alternativen standen im Zentrum eines Gesprächs zwischen dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel über das Wirtschaftsabkommen „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP) auf dem Stuttgarter Kirchentag.

Bedford Strohm: Auswirkungen für die Armen müssen im Zentrum stehen

In seinem Eingangsstatement freute sich Bedford-Strohm angesichts der gut gefüllten Halle darüber, dass sich so viele Menschen für so ein schwieriges Thema wie Handelspolitik interessieren. Dabei sei das häufig als abstrakt wahrgenommene Thema die Ursache von sehr konkreten Problemen: „Handelspolitik ist die Flüchtlingspolitik der Zukunft“, so der EKD-Ratsvorsitzende. Europa könne sich nicht langfristig mit Elektrozäunen gegen Menschen abschotten, die auf den Kontinent kommen wollen. „Wir müssen Ungerechtigkeit überwinden, damit keine Menschen mehr gezwungen sind, wegen ihrer Armut ihre Heimat zu verlassen.“

Die biblische Option für die Armen sei für die Kirchen das Leitbild dafür, was sie zu dieser Frage zu sagen haben. Daher müssten vom kirchlichen Standpunkt her alle Maßnahmen, die von der Regierung beschlossen werden, eine „Eine-Welt-Verträglichkeitsprüfung“ durchlaufen. Denn es mache keinen Sinn, dass die Entwicklungspolitik ein Reparaturbetrieb für die Versäumnisse anderer Politikfelder sei. Ob die Kirchen ein Handelsabkommen befürworten könnten, hinge davon ab, ob die Menschen, die nicht Teil dieses Abkommens sind, also die Armen in den Ländern des globalen Südens, einen Vorteil oder einen Nachteil davon hätten.

Die in dem Abkommen geplanten privaten Schiedsgerichte verursachten ein Demokratieproblem, da sie europäische Regelungen, die von Investoren als Handelshemmnis gesehen würden, aushebeln könnten. Nachdem er diese Punkte für sich abgewogen hatte, kam Heinrich Bedford-Strohm zu dem Ergebnis: „Ich kann nach dem derzeitigen Stand eine Zustimmung zu TTIP nicht empfehlen.“

Gabriel: den Verhandlungen eine Chance geben

Sigmar Gabriel dagegen sieht die EU unter Zugzwang. Nach dem Scheitern der Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), müsse Deutschland daran ein Interesse haben, dass im TTIP-Abkommen Standards möglichst mit einer europäischen Handschrift stünden. Denn sonst würden die USA zuerst mit den asiatischen Ländern ein Abkommen schließen, dem sich die EU und die afrikanischen Staaten dann nur noch anschließen könnten.

Vor allem solle man nicht vorschnell allein die Verhandlungen des Vertrages verteufeln, sondern sich zunächst das Ergebnis des Prozesses ansehen. Gabriel bat die Kritikerinnen und Kritiker um Geduld: „Wenn das geschieht, was sie annehmen, dass es eintritt, dann darf man das Abkommen nicht unterzeichnen.“

Werden europäische Standards verwässert?

Anders als häufig kritisiert wird, geht es laut Gabriel nicht darum, dass Verbraucherrechte und andere Standards gegenüber dem heutigen Stand abgesenkt würden, sondern darum, ob Produkte, die für den einen Markt zugelassen sind, für den anderen Markt genehmigungsfähig sind. Ziel sei eine Vereinfachung der Regeln, damit mehr Handel entstehen könne: „Es geht darum zu überprüfen, ob die jeweiligen Standards und Prüfverfahren zu vergleichbaren Ergebnissen führen.“ Erst wenn dies sichergestellt sei, könne man auf eine weitere Produktüberprüfung verzichten. Daher werde es auch mit TTIP keine Chlorhühnchen und gentechnisch veränderte Lebensmittel auf dem europäischen Markt geben.

Der Bundeswirtschaftsminister legte sich erneut darauf fest, dass er einem TTIP-Abkommen mit privaten Schiedsgerichten nicht zustimmen wird: „Ihre Kritik an TTIP hat uns klüger gemacht!“ Darum hätte er gemeinsam mit seinen sozialdemokratischen Amtskollegen einen Vorschlag ausgearbeitet, der nun Bewegung in die europäische Verhandlungsposition gebracht habe: Die Schiedsgerichte sollten nicht mit Anwälten besetzt werden, sondern mit ordentlichen Richtern und es solle auch Berufungsmöglichkeiten geben. Ideal wäre ein multilateraler Handelsgerichtshof, der nicht nur für TTIP, sondern für alle ähnlich angelegten Handelsabkommen zuständig sei.

Kritik an Geheimverhandlungen

Bedford-Strohm kritisierte an den Verhandlungen, dass sie im Geheimen stattfinden. Dies ließe die Menschen misstrauisch werden, ob die Errungenschaften der sozial-ökologischen Marktwirtschaft verloren gehen. Dem stimmte der Bundeswirtschaftsminister im Wesentlichen zu: die Geheimverhandlungen der EU-Kommission hätten das Abkommen an den Rand des Scheiterns gebracht. Bei der Transparenz seien aber inzwischen Fortschritte gemacht worden. Dennoch: Gabriel selbst kritisierte, dass er, wenn er sich über den Verhandlungsstand informieren wolle, den Text nur bei der amerikanischen Botschaft einsehen kann, nachdem er sich ausgewiesen habe, er sich auch keine Notizen oder Kopien machen dürfe. „Ich finde das schräg“, sagte Gabriel wörtlich.

Welche Rolle spielen die Armen?

Der EKD-Vorsitzende kam zum Schluss des Gesprächs auf die Fragestellung seines Eingangsstatement zurück: Bisher spielte die Frage, welche Auswirkungen das Abkommen auf die Armen in der Welt hat, spielte bisher in den Verhandlungen gar keine Rolle: „Diese Prüfung muss aber nicht erst im Nachhinein erfolgen, sondern integraler Bestandteil der Verhandlungen sein.“

Der Moderator des Podiumsgesprächs, ZDF-Chefredakteur Peter Frey, stellte nachdem das Gespräch beendet war, der Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, die Frage, wie sie die Ergebnisse einer Studie des IFO-Instituts im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums sehe, die  keine negativen Auswirkungen des TTIP-Abkommens auf die Länder des globalen Südens sehe.

TTIP ist "WTO plus"

An dieser Studie kritisierte Füllkrug-Weitzel die schlechte Datenbasis: die Studie habe lediglich sieben Länder untersucht, davon mit Bangladesch nur eines, das zu den am wenigsten entwickelten Ländern gehört. Durch das Abkommen würde ein Werk entstehen, das Regeln für 44 Prozent des globalen Handelsvolumens aufstelle. Damit würde TTIP Standards setzen, an denen die wenig entwickelten Länder nicht mehr vorbeikommen. Diese seien aber keine neuen Regeln, sondern eine Art „WTO plus, also das, wogegen sich unsere Partner seit Jahrzehnten gewehrt haben.“

Abschließend fragte Frey, ob Handel grundsätzlich positive Auswirkungen für die Entwicklungsländer haben könne. Dies bejahte die Präsidentin von Brot für die Welt: „Der Handel nützt ihnen aber nur, wenn Arbeitsstandards und ökologische Standards auch global eingehalten werden.“

 

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