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Welche Zukunft für die G7?

Von Sven Hilbig am

Gastbeitrag von Peter Wahl

Krisenhaftigkeit, Konflikt, Instabilität und Unsicherheit sind zum Signum der globalisierten Gegenwart geworden. Politik, deren Funktion - wie der Name schon sagt - die Gestaltung der Polis ist, also des Gemeinwesens, scheint demgegenüber zunehmend ohnmächtiger zu werden.

Kein Wunder. Durch die globalisierungsbedingten Verflechtungen haben Komplexität, Ausdifferenzierung und allfällige Beschleunigung gesellschaftlicher Prozesse noch einmal um Größenordnungen zugenommen. Allein ein Blick auf die Vielzahl und Vielschichtigkeit von Interessenlagen bei Klimaverhandlungen zeigt, dass die Problemlösungsfähigkeit der sog. internationalen Gemeinschaft vor Anforderungen steht, vor denen sie bisher prompt versagt hat. Probleme, die sich in 200 Jahren Industrialisierung, Konsum- und Wachstumsorientierung zusammengebraut haben, lassen sich nicht im Handumdrehen lösen. Das Dilemma dabei ist, dass die physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse, die zum Tipping Point des Klimas und von Ökosystemen führen, sich nicht nach den Zeitplänen multilateraler Verhandlungen des Homo Sapiens richten.

Auch den Finanzcrash von 2008 charakterisiert am treffendsten die Metapher von Goethes Zauberlehrling „Herr die Noth ist groß, die Geister, die ich rief, ich werd’ sie nicht mehr los!“ Die Beispiele ließen sich beliebig ausweiten, auf Themen wie Armutsbekämpfung und Verteilungsgerechtigkeit, Außen- und Sicherheitspolitik, Migration, Cyberwelt, oder Erosion der Demokratie.

Angesichts dessen steht für die G7 die Frage ob sie Teil der Lösung oder Teil des Problems ist.

Die Simulation von Problemlösungsfähigkeit

Auf den ersten Blick scheinen die Sieben durchaus ein ausgeprägtes Problembewusstsein zu haben. Ein jüngeres Beispiel ist die Erklärung der Außenminister in Lübeck am 15. April diesen Jahres. Außen- und Sicherheitspolitik haben seit langem einen festen Platz auf der Tagesordnung der G7. In der Lübecker Erklärung werden von Nord-Korea bis Boko Haram, von Gaza bis zur Ukraine, von Mali bis Afghanistan über Irak, Iran, und Jemen und vom Klimawandel, über das Islamische Kalifat und Ebola bis zur Cyber-Kriminalität über 30 Länder, Regionen und Themen angesprochen.

Schaut man genauer hin, muss man jedoch feststellen, dass das Bild der Welt, das dabei gezeichnet wird, von atemberaubender Schlichtheit ist. Es lässt sich so zusammenfassen. „Probleme gibt’s, aber die machen die anderen. Wir sind die Guten und arbeiten dran.“ So handelt, um nur einen Punkt herauszugreifen, ein Viertel des Textes vom Nahen und Mittleren Osten und verurteilt dazu ein halbes Dutzend „Schurken.“ Ausgeblendet wird jedoch, dass der Krieg gegen den Terror mit dem Angriff der USA und ihrer Koalition der Willigen im Irak 2003, die „Befreiung“ Libyens, der Drohnenkrieg, die Waffen- und Finanzhilfe der Saudis und anderer Feudalregime für Terrororganisationen in hohem Maße für die Destabilisierung der ganzen Region mitverantwortlich sind.

Eine ähnliche Herangehensweise findet sich bei anderen Themen – Entwicklung, Klima, Weltwirtschaft. Die tieferen Ursachen werden nicht thematisiert. Sei es, weil dann die Verantwortung der G7 bzw. einzelner Mitglieder zur Sprache kommen müsste, sei es weil die Grenzen der eigenen Problemlösungsfähigkeit in den Blick geriete.

Als „mildernder Umstand“ kann freilich ins Feld geführt werden, dass die G7 damit nicht allein sind. Auch die anderen Einrichtungen des Multilateralismus bleiben mit ihrer Lösungskompetenz weit unter dem, was der Problemstand eigentlich erfordert. Wir sind mit einer zunehmenden Unverfügbarkeit über den historischen Prozess konfrontiert.

Eigentlich wäre es in dieser Situation naheliegend, den Problemlagen etwas tiefer auf den Grund zu gehen und eine Kultur der Kooperation zu entwickeln, statt sich hinter Schuldzuweisungen zu verschanzen. Stattdessen beobachten wir zunehmende geopolitische Rivalitäten und Lagerbildung im internationalen System – Gegeneinander statt Miteinander, das von den G7 heftig mitbefeuert wird. Projekte wie TTIP oder sein pazifisches Gegenstück die expressis verbis ihre Standards für die Welt setzen wollen „ehe der Chinese es tut“ könnten sich daher noch als Eigentor erweisen, ebenso wie der Rauswurf Russlands aus der G7.

Mit dem „Rest der Welt“ oder gegen ihn?

Denn inzwischen entsteht neben der G7 und den ihr nahestehenden Organisationen wie IWF, Weltbank und NATO ein alternatives System internationaler Kooperation. Nachdem die Schwellen- und Entwicklungsländer (ebenso wie die Zivilgesellschaft) seit Jahren vergeblich eine Demokratisierung des IWF forderten, haben die BRICS jetzt für sich daraus die Konsequenz gezogen, eigene Strukturen aufzubauen. Zum Teil ganz ohne den Westen, wie bei der Allianz der BRICS-Staaten, zum Teil wie bei der von Peking gegründeten Asian Bank for Infrastructure and Investment (AIIB) nur ohne USA.

Durch die Etablierung einer eigenen Entwicklungsbank und eines gemeinsamen Reservefonds entwickeln sich die BRICS vom informellen Gremium zur formalen Institution. Initiator war Russland. Komplementär dazu sind auf Initiative Chinas und Russlands weitere Strukturen entstanden, wie die Shanghai Kooperation, die vorwiegend sicherheitspolitische Zusammenarbeit anstrebt.

Letztlich ist die ausschlaggebende Motivation für die neuen Strukturen „eine demokratischere und gerechte multi-polare Welt auf der Grundlage des Völkerrechts, der Gleichheit, des gegenseitigen Respekts, der Zusammenarbeit, des gemeinsamen Handelns und kollektiver Entscheidungen aller Staaten“, so das "Joint Statement of the BRIC Countries’ Leaders" vom 16. Juni 2009.  Man könnte den gemeinsamen Nenner kurz als anti-hegemonial beschreiben. Im Grunde ist das nichts anders als der Wertekanon, wie er auch in der UN-Charta verankert ist.

Wie man sieht, berufen sich also nicht nur die G7 auf Werte. Natürlich schließen die beiden Wertesysteme sich nicht aus, aber das sieht nicht jeder so. „Amerika muss auf der Weltbühne immer die Führung innehaben. ... Ich glaube mit jeder Faser meines Wesens an die Amerikanische Sonderstellung (exceptionalism; P.W.)“, sagte zum Beispiel Barack Obama kürzlich über die Idee eines multi-polaren internationalen Systems.

Wenn dieser Geist sich durchsetzt, besteht das Risiko, dass die G7 zur Wagenburg des Westens wird, in der die knapp zehn Prozent der Weltbevölkerung, die das Gremium heute noch repräsentiert, meinen ihre überkommene Macht und Privilegien verteidigen zu müssen. Das wäre das Gegenteil dessen was die Menschheit braucht.

Peter Wahl ist Vorsitzender der Nichtregierungsorganisation WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung. Für Brot für die Welt beobachtet er den G7-Gipfel 2015 in Schloss Elmau.

 

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