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Das Ende eines Desaster-Gipfels

In Madrid sollte ein Klimanotstandsgipfel Lösungen für die Klimakrise beschließen, stattdessen endete die COP25 in einer klimapolitischen Katastrophe.

Von Sabine Minninger am

#KeineAmbition

Große Frustration herrschte bei Brot für die Welt und den zahlreichen Partnerorganisationen aus dem Globalen Süden beim Ausgang des längsten Klimagipfels in der Geschichte der COPs. Bei 40 Stunden Verlängerung plus einem vorgelagerten Workshop zu klimabedingten Schäden und Verlusten kam man auf 15 Tage Konferenzmarathon mit einem denkbar schlechten Ergebnis. Statt klimapolitische Ambition zu sehen, konnte eigentlich über zwei Wochen nur das Schlimmste verhindert werden. Dabei waren es sehr wenige Staaten, die für den katastrophalen Ausgang hauptverantwortlich sind. Dazu zählen allen voran die USA, Brasilien und Australien. Leider gelten bei der Konferenz der Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention nur Konsensentscheidungen und keine Mehrheitsentscheidungen, sonst wäre das Ergebnis ganz anders ausgefallen. Denn die Mehrheit der Staaten hält an dem Pariser Klimaabkommen fest und fordert eine ambitionierte Umsetzung, in diesem Fall allen voran die ärmsten und verletzlichsten Staaten wie die afrikanischen und am wenigsten entwickelten Staaten, sowie die kleinen Inselstaaten. Sie wollen echten Klimaschutz und die höchste Ambition bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Tragischerweise konnten sie das in Madrid überhaupt nicht erreichen, stattdessen wollten die oben benannten klimapolitischen Plattmacher auch noch Regeln festschreiben, die sogar sehr gefährlich werden können für ärmste Bevölkerungsgruppen. Einen Teilsieg haben vor allem die ärmsten Staaten, mit teilweiser Unterstützung der EU, dann doch erreichen können – in Madrid konnten sie das Schlimmste abwehren, indem zumindest keine schlechten Beschlüsse gefasst werden konnten. ABER: Die bösen Regeln sind nicht aufgehoben, sondern stehen weiterhin auf der Agenda für den nächsten Klimagipfel in Glasgow im November 2020.

Dabei hatte die COP25 in Madrid eine vergleichsweise schlanke Agenda. Die Hauptziele waren mehr Ambition im Klimaschutz zu erreichen, Umsetzungsregeln für die marktbasierten Mechanismen festzulegen und einen Finanzmechanismus und –Mittel für die ärmsten Staaten zur Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verluste zu vereinbaren.

What went wrong?

Mehr Ambition beim Klimaschutz

Im nächsten Jahr sind alle Unterzeichnerstaaten des Pariser Klimaabkommens aufgefordert, höhere Klimaschutzziele vorzulegen – sogenannte National Determined Contributions (NDCs). Bei der nächsten COP26 in Glasgow wird dann überprüft, ob die vorgelegten Klimaziele für die Einhaltung der Pariser Klimaziele ausreichen, die globale Erwärmung auf weit unter 2 Grad und am besten nicht über 1.5 Grad zu limitieren. Die NDCs standen in Madrid daher nicht auf der Verhandlungsagenda, aber die COP25 sollte helfen, höhere Anstrengungen bei den Vertragsstaaten vorzubereiten. Bis zum Schluss konnte keine Sprache gefunden werden, ob Staaten nur eingeladen sind oder doch dringend ihre Klimaschutzziele erhöhen (enhancement of NDCs) sollten mit öffentlicher Beteiligung. Am Ende stand die große Sprachlosigkeit zu höheren Klimaschutzzielen im Abschlussdokument. Die Ankündigung der EU im Rahmen des European Green Deal konkrete Klimaschutzpläne umzusetzen, kam zu spät für den Verhandlungsprozess, um weitere Industriestaaten in eine Ambitionsspirale mitzuziehen.

Zudem hat Brasilien mit Unterstützung von Argentinien bis zum Ende hin versucht, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der beiden letzten Klimaberichte des Weltklimarats (IPCC) zu Landnutzung und Ozeane zu torpedieren. Es grenzt fast an Borderline, dass Brasilien und Argentinien unter anderem und ausgerechnet von Saudi-Arabien, einem der größten Blockierer für Ambition in der Geschichte der UN-Klimakonferenzen, heftig dafür gerügt wurden. Am Ende beugten sich die beiden Querschläger und somit konnten die beiden wissenschaftlichen Berichte im Abschlussdokument gewürdigt werden.

Der Artikel 6 -No deal is better than a bad deal!

Die marktbasierten Mechanismen sind im Pariser Klimaabkommen im Artikel 6 festgehalten. Bereits bei der letzten COP24 im polnischen Katowice ist es nicht gelungen, Umsetzungsregeln für die Kohlenstoffmärkte zu vereinbaren. Wegen dem heftigen Widerstand von Brasilien gegen strenge Umsetzungsregeln für mehr Klimaschutz und die Wahrung von Sozial- und Menschenrechtsstandards musste das Thema auf die COP25 in Madrid vertagt werden. Genau aus den gleichen perfiden Beweggründen hat Brasilien auch bei dieser COP25 dafür gesorgt, dass keine Einigung gefunden wurde und das Thema wieder verschoben werden musste auf die nächste COP26 in Glasgow. Nur diesmal war Brasilien nicht der einzige Blockierer, sondern in „unbester“ Gesellschaft mit fossilfanatischen Staaten wie Indien und Australien. Auch Ägypten, Saudi-Arabien oder die USA spielten aus unterschiedlichen Gründen eine zerstörerische Rolle. Gemeinsam haben sie versucht das Pariser Abkommen von Innen auszuhöhlen und Schutz von Menschenrechten und Sozialstandards aufzuweichen oder zu verhindern. Daher ist es richtig, hier besser keine Regeln festzulegen, wenn sie nicht höchsten Prinzipien folgen. Costa Rica hat daher die San-Jose-Prinzipien für mehr Klimaschutz und Integrität in den internationalen Kohlenstoffmärkten auf den Weg gebracht, denen sich auch in der Verlängerungszeit der COP25 die Bundesregierung angeschlossen hat. Diese Prinzipien sollten den Verhandlungen zu Artikel 6 bei der COP26 in Glasgow zugrunde liegen.

Loss and Damage – die Ärmsten werden alleine gelassen

Das Verhandlungsthema „Umgang mit klimabedingten Schäden und Verluste“ im Verhandlungsjargon kurz „loss and damage“ genannt, ist von großer Bedeutung für zahlreiche Partnerorganisationen von Brot für die Welt im Globalen Süden. Jetzt schon machen sie vielerorts die Erfahrung, dass die Grenzen der Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel erreicht sind und sie betroffen sind von klimabedingten Schäden und Verluste. Die Industriestaaten haben sich selbstverpflichtet für die Minderung von Treibhausgasen und Anpassungsprojekte Finanzmittel zur Verfügung zu stellen für Entwicklungsländer, nicht aber für die Bewältigung von Klimaschäden oder die Entschädigung von klimabedingten Verlusten. Mit dieser Rechnung werden die ärmsten Bevölkerungsgruppen alleine gelassen und können neben der ohnehin unterfinanzierten Nothilfe nur auf freiwillige Zusagen hoffen.

Die Überprüfung des Warschau Mechanismus für klimabedingte Schäden und Verluste bot während der COP25 das politische Momentum darauf hinzuwirken, dass zukünftig ein neuer Finanzierungsarm und vor allem Finanzmittel zusätzlich zur Anpassungsfinanzierung und zur humanitären Hilfe bereitgestellt werden.

Beide Zusagen wurden den ärmsten Staaten verwehrt. In diesem Streitpunkt kam es zu einer sehr genauen Spaltung zwischen der Gruppe der Industrieländer und der gesamten Gruppe der Entwicklungsländer. Die Ärmsten forderten bis zum Ende der Konferenz finanzielle Unterstützung und die reichen Länder blockierten, sich auf verpflichtende Finanzzusagen einzulassen. Die Fronten blieben bis zum Ende verhärtet, auch wenn sich innerhalb der beiden Gruppen Staaten mit mehr Kompromissbereitschaft zeigten. Ignorant und in Dauerblockadehaltung verharrten die USA zusammen mit Australien. Sie wehrten jede Forderung nach zusätzlicher Finanzierung ab. Zudem brachte die USA mit dem Verweis auf den Paragraphen 51 aus dem Pariser Entscheidungspapier die Forderung ein, dass der Artikel 8 aus dem Pariser Abkommen zu „loss and damage“ keine Grundlage für Entschädigungszahlungen bietet. Der Zusammenhalt der Entwicklungsländer in dieser Frage um den Paragraphen 51 zahlte sich zumindest so aus, dass dieser Streitpunkt nicht zugunsten der USA festgelegt wurde, sondern ebenfalls auf die nächste COP26 in Glasgow vertagt wurde.

Statt substantielle Unterstützung in der Klimakrise zu erhalten, konnten die ärmsten und verletzlichsten Staaten aus Madrid abreisen, mit der Zusage, dass eine Expertengruppe eingerichtet und ein Netzwerk aufgebaut wird zum Thema. Beides hätte man schon vor Jahren einrichten können. Währenddessen geht die Klimakrise weiter und ärmste Staaten verschulden sich immer mehr, um klimabedingte Schäden zu bewältigen.

Fazit

Auch wenn die Blockierer diesmal gewonnen haben, sind die wichtigen Themen nicht vom Verhandlungstisch, sondern müssen bei der COP26 in Glasgow nachverhandelt werden. Zudem werden die reichen Industriestaaten nicht aus der Verantwortung entlassen, die ärmsten Bevölkerungsgruppen in der Klimakrise zu unterstützen und zu schützen. Sie sind nicht nur aus moralischen Gründen dazu verpflichtet, sondern das Verursacherprinzip lässt sie nicht aus der Pflicht. Die nächste COP26 in Glasgow muss dafür Sorge tragen, dass die Misere von Madrid ausgebügelt wird. Der Druck von den Menschen auf der Straße, wie die Bewegung Fridays for Future, zeigen auf, in welcher Welt wir (über)leben wollen und welche Maßnahmen eingefordert werden. Time for (urgent) Action sollte nun auch ernsthaft das Motto der nächsten COP26 in Glasgow sein.

 

 

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