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"Von der Friedensmacht zur Festung Europa?"

Die Ev. Akademie Villigst und die "Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung" (AFK) veranstalteten zu diesem Thema eine dreitägige Konferenz in Erfurt. ExpertInnen aus der Wissenschaft, Politik und Friedenspraxis diskutierten, wie die EU zu einer globalen Friedensordnung beitragen kann.

Von Dr. Martina Fischer am

"Angesichts aktueller Entwicklungen, wie u.a. Konflikten an den Außengrenzen der EU, der 'Flüchtlingskrise' sowie einem wachsenden Potential der Desintegration innerhalb der EU, ist die Friedens- und Konfliktforschung mehr denn je gefragt, die Politik der Europäischen Union kritisch in den Blick zu nehmen und ihre Erkenntnisse für die politische Ausgestaltung der Friedenspolitik Europas beizusteuern", so hieß es im Programm der Veranstaltung. Diese wurde vom 7.-9. März 2019 an einem historischen Ort, im Erfurter Augustinerkloster, abgehalten. WissenschaftlerInnen verschiedenster Disziplinen blickten auf den Umgang der Europäischen Union mit den Herausforderungen in ihrem inneren und äußeren Umfeld. Gleichzeitig gab das AFK-Kolloquium Raum für den Dialog mit PolitikerInnen und Menschen aus der Friedenspraxis und -pädagogik. Die vielfältigen und spannenden Beiträge können hier nur auszugsweise Erwähnung finden. 

Die EU als "Zivilmacht" oder "Militärunion"?

Den neuen Schwerpunktsetzungen im militärischen Bereich und der "Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" der EU widmete sich ein Panel am ersten Konferenztag. Björn Aust (Referent für Europapolitik bei der Bundestagsfraktion der Linken) und Jürgen Wagner (Informationsstelle Militarisierung) analysierten die "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" der EU und die Pläne für einen 13 Mrd. schweren gemeinsamen Verteidigungsfonds. Es bestand Einigkeit in der Bewertung, dass beides der Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie diene, jedoch wurde kontrovers darüber diskutiert, wie diese Entwicklungen in ihrer Entstehung und Wirkung zu bewerten sind, ob es sich vorrangig um industriepolitische Ziele der EU und ihrer Mitgliedstaaten handelt, um eine Ausdifferenzierung der Lastenteilung im transatlantischen Verhältnis, oder um eine Dynamik, in der die EU zu einem eigenständigen sicherheitspolitischen Akteur werden könnte. In jedem Falle bedürfen die aktuellen Veränderungen einer kontinuierlichen Beobachtung und kritischen Begleitung durch die Friedensforschung und Nichtregierungsorganisationen.

"Versicherheitlichung" ziviler Instrumente

Dr. Martina Fischer (Referat Menschenrechte und Frieden, Brot für die Welt) beleuchtete den Trend zur "Versicherheitlichung" und zur Vermischung der Außen-, Entwicklungs- und Migrationspolitik sowie die Zweckentfremdung ziviler und entwicklungspolitischer Mittel für Initiativen militärischer "Ertüchtigung" (im Rahmen von "Migrationspakten" mit afrikanischen Staaten), gegen die aufgrund aktueller Erfahrungen erhebliche menschenrechtliche Bedenken vorzubringen sind. Sowohl bei der Analyse der Ausgabenpolitik, als auch bei der Beobachtung von Rüstungstransfers und der Wirkung von "Ertüchtigung" könne die Friedensforschung einen wichtigen Beitrag zur Beratung der politischen Praxis leisten. Martina Fischer lieferte zudem einen Kommentar zum Votrag von Prof. Oliver Richmond (Universität Manchester), der Konzepte des Peacebuilding mit Blick auf Europa und globale Herausforderungen erörterte, und sie diskutierte mit dem EU-Abgeordneten Arne Lietz (SPD) über die Frage, welche friedenspolitischen Akzente die deutsche Regierung im Rahmen der 2020 bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft setzen könnte.

Die EU als normative Kraft?

Ein Panel am Freitag widmete sich der Frage, ob die EU "noch eine normative Friedensmacht" darstelle. Dazu debattierten ExpertInnen aus der Friedensforschung und Europawissenschaft (Dr. Matthias Dembinski, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung Frankfurt, Dr. Martin Kahl, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Hamburg, und Dr. Gabi Schlag, TU Braunschweig). Von den PanelistInnen wurde hervorgehoben, dass man sich davor hüten müsse, die EU als einheitlichen Akteur zu betrachten. Die Bilanz der friedenspolitischen Beiträge der EU fiel ambivalent aus: nach innen habe sie als Friedensprojekt (im Sinne der Aussöhnung und Kooperation ehemals verfeindeter Staaten) gewirkt und vor allem in der Süderweiterung (mit Spanien, Griechenland und Portugal) durchaus normative Kraft entfaltet und zur Demokratisierung und zur Wahrung von Menschenrechten beigetragen. Auch in der Osterweiterung sei dies deutlich geworden. In der Prävention von Konflikten in der weiteren Nachbarschaft jedoch habe sie teilweise versagt (z.B. im ehemaligen Jugoslawien, wie auch in der Ukraine). Durch inkohärente Politik trage sie aktuell selbst auch zu globalen Problemen bei, was die normative Strahlkraft beeinträchtige. Im Zuge der Debatte wurde der Begriff der "Friedensmacht" recht schnell durch "Friedensprojekt" ersetzt, was verdeutlicht, dass in der Außenpolitik der EU grundlegende Reformen erforderlich sind.

Migration und Konflikt

Ein Highlight der Tagung bildete ein Panel zu "Migration und Konflikt" am letzten Konferenztag, in dem laufende Forschungsprojekte aus der Schweizerischen Friedensstiftung "Swisspeace" (von Dr. Julie Bernath), dem Deutschen Institut für Entwickungspolitik (Dr. Benjamin Etzold), und aus dem universitären Kontext (Mia Vökler, Uni Leipzig, und Leonie Disselkamp, Uni Marburg) vorgestellt wurden. Diese Beiträge beschäftigten sich mit den Haltungen der syrischen Diaspora zu "Transitional Justice", mit Strategien zur Entwicklung von Perspektiven für Geflüchtete, die jahrelang im Transit und in provisorischen Lebensbedingungen ausharren, sowie mit der "Versicherheitlichung" des Migrationsdiskurses anhand von Strategiepapieren aus EU-Institutionen.

Macht, Geschlecht und autoritäre Politikmuster in Europa

Darüber hinaus gab es Veranstaltungen zum Stand der Friedens- und Konflikttheorie, zu Forschungsperspektiven in Europa und Deutschland, sowie zu den populistischen und autokratischen Tendenzen in den EU-Mitgliedstaaten. Den Keynote-Vortrag aus Anlass des internationalen Frauentags hielt Prof. Gabriele Wilde (Universität Münster) zum Thema "Das Autoritäre als geschichtliches Machtdispositiv. Effekte für demokratische Verhältnisse in Europa". Sie illustrierte anhand historischer und aktueller Beispiele, dass autoritäre Politikmuster regelmäßig mit geschlechtsbezogener Diskriminierung einhergehen (was sich sowohl in der politischen Praxis als auch im gesellschaftlichen Diskurs niederschlägt) und dass Fortschritte in der Gleichstellungspolitik kontinuierlich gegen rückläufige Tendenzen verteidigt werden müssen. Das gilt erst recht in Zeiten zunehmender Attraktivität rechtsnationaler politischer Parteien, die den politischen und gesellschaftlichen Diskurs insgesamt verändern.

Christiane Rajewsky-Preis für Nachwuchsförderung

Der diesjährige "Christiane Rajewsky-Preis" für Nachwuchsförderung ging an wissenschaftliche Arbeiten, die sich der Bedeutung von "Vertrauen" und "Emotionen" in der  Gestaltung von Politik in lokalen Gemeinschaften und internationalen Beziehungen widmen. Ausgezeichnet wurden die Arbeiten von Elisabeth Bunselmeyer, mit dem Titel „Trust Repaired? The Impact of the Truth and Reconciliation Commission and the Reparation Program on Social Cohesion in Post-Conflict Communities of Peru”, und von Robin Markwica, mit dem Titel „Emotional Choices: How the Logic of Affect Shapes Coercive Diplomacy“. Die Laudatio hielt Dr. Werner Distler (Universität Marburg).

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