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Harte Landung: Warum eine zögerliche Klimapolitik die Stabilität der Finanzmärkte gefährden kann

Drohen den Finanzmärkten systemische Risiken aufgrund der Folgen des Klimawandels? Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB), einem Beratergremium der Europäischen Zentralbank, legt diesen Schluss nahe. Die Argumentation: Wenn die Politik Maßnahmen gegen den Klimawandel zu spät und zu abrupt beschließt, dann kann das zu Schäden am globalen Finanzsystem führen.

 

Von Ehemalige Mitarbeitende am

Drohen den Finanzmärkten systemische Risiken aufgrund der Folgen des Klimawandels? Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB), einem Beratergremium der Europäischen Zentralbank, legt diesen Schluss nahe. Die Argumentation: Wenn die Politik Maßnahmen gegen den Klimawandel zu spät und zu abrupt beschließt, dann kann das zu Schäden am globalen Finanzsystem führen.

Im Kampf gegen den Klimawandel hat sich die Weltgemeinschaft das ambitionierte Ziel gegeben, den Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Hinter den Worten bleiben die Taten allerdings weit zurück. Denn – meint es die Politik ernst mit den von ihr gesteckten Emissionszielen – müssten früh politische Maßnahmen folgen.

Dass das nicht der Fall ist, zeigt ein Streiflicht durch die aktuelle Klimapolitik der EU. Die Reform des europäischen Emissionshandels, die Bepreisung von Kohledioxid-Emissionen, die Gesetzgebung zu Energieeffizienz – alles Beispiele für das zögerliche Handeln der Politik.

Harte Landung in der Klimapolitik

Vor diesem Hintergrund scheint es wahrscheinlicher, dass politische Maßnahmen erst spät und dann umso einschneidender folgen. Der Umbau der Wirtschaftssysteme in Richtung einer kohlenstoffarmen Zukunft erfolgt dann nicht geordnet, sondern abrupt. Die mögliche Folge: große Unsicherheiten und Verwerfungen auf den Märkten. Der Report bezeichnet dieses Szenario als „hard landing“, also „harte Landung“.

Vor allem die fehlenden Anreize für den Ausbau der erneuerbaren Energien, deren knappes Angebot im Falle eines plötzlichen Kurswechsels der Politik zu einem dramatischen Anstieg bei den Energiekosten führen könnte, sieht der Report als große Gefahrenquelle. Ein Absturz der wirtschaftlichen Leistung ganzer Volkswirtschaften könnte die Folge sein.

Leitindizes drohen Wertverluste bis zu 20 Prozent

Eine weitere Folge des großen Abwartens der Politik könnten plötzliche Wert- und Preisverluste von kohlenstoffintensiven Unternehmen und Vermögensanlagen sein. Investoren drohen dann Verluste in Form sogenannter „stranded assets“. Auch Länder mit großer Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wären betroffen.

Mit Blick auf die globalen Leitindizes würde gar ein Wertverfall von 15 bis 20 Prozent drohen, so die Autoren. Der Report verweist zudem auf Schätzungen wonach institutionelle Investoren in Europa – darunter Banken, Pensionsfonds und Versicherungsfirmen – in großem Maße abhängig von Unternehmen der fossilen Energiebranche sind. Insgesamt halten diese Investoren Unternehmensanteile im Umfang von einer Billion Euro.

Der Report des ESRB, einem bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelten wissenschaftlichen Beratungsgremium, das in Reaktion auf die Finanzkrise ins Leben gerufen wurde, ist die aktuellste einer ganzen Reihe ähnlicher Analysen namenhafter Institutionen.

Zuletzt hatten die britische Zentralbank und der bei den G20-Staaten eingesetzte Finanzmarktstabilitätsrat vor den Risiken des Klimawandels für die Finanzmärkte gewarnt. Und auch das World Economic Forum sieht in dem Versagen der Politik, Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel zu finden, eines der weltweit größten Risikofelder. 

Systemische Risiken als Brandbeschleuniger

Neu ist die Einschätzung, dass diese Risiken „systemisch“ wirken können. Technisch gesprochen sind systemische Risiken solche, die nicht durch Diversifikation beseitigt werden können. Und tatsächlich: Die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken – physische, politische und regulative Risiken – sind Marktrisiken, das heißt, sie betreffen nicht nur einzelne Unternehmen.

Systemische Risiken sind Brandbeschleuniger. Sie entstehen aufgrund der engmaschigen Verflechtung von Unternehmen und Finanzinstitutionen. So können zum Beispiel Kreditausfälle bei Banken, die im Handel mit besicherten Darlehen („leveraged debt“) aktiv sind, als Hebel wirken und zu Verlusten bei anderen Banken führen.

Die große Wette gegen die Politik – und gegen das Klima

Warum aber bleiben diese Risiken unberücksichtigt?

Eine mögliche Antwort ist, dass der Markt schlicht gegen die Politik und deren Fähigkeit zur Einhaltung des Zwei-Grad-Limits wettet.

Darüber hinaus nehmen viele Investoren den Klimawandel als Risiko der Zukunft, nicht als Risiko der Gegenwart wahr. Sie argumentieren: Der Zeithorizont, in dem die Folgen des Klimawandels besonders hart zu spüren sein werden, liegt außerhalb des heutigen Investitionshorizonts – auch dem vieler „langfristiger“ Investoren. Der Gouverneur der britischen Zentralbank, Mark Carney, spricht von der „Tragik des Zeithorizonts“.

Es ist daher nicht nur ein Versagen der Politik, sondern auch ein Versagen der Märkte, diese Risiken rechtzeitig und umfassend zu bearbeiten und zu verhindern, dass systemische Risiken entstehen.

Zur Lösung dieses Dilemmas empfiehlt der Report nun die Offenlegung von Daten zur Messung der CO2-Emissionen, die im Zusammenhang mit einem Unternehmen oder einer Vermögensanlage stehen. Diese Informationen könnten dann in ökonomische Modelle und Stresstests eingespeist werden, deren Aufgabe es ist Schocks zu simulieren und politische Gegenmaßnahmen zu identifizieren.

Mit dem Report hat sich erstmals ein wichtiges EU-Gremium für einen frühen und geordneten Übergang in ein kohlestoffarmes Wirtschaftssystem ausgesprochen und skizziert, welche Folgen drohen, wenn Politik und Märkte zu spät reagieren. Will die Politik systemische Risiken für die Finanzmärkte verhindern, muss sie auf die Ankündigungen zur Emissionsabbau Maßnahmen folgen lassen – lieber früh als spät.

Von Franziska Schütze (Global Climate Forum) und Alexander El Alaoui (Brot für die Welt)

[Dieser Beitrag ist auch auf http://germanwatch.org/de/11793 erschienen]

 

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