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Oberflächlicher Konsens über nachhaltige Entwicklung beim WTO-Forum

Von Sven Hilbig am

„Warum Handel jeden angeht“ – allgemeiner hätte das Motto für das diesjährige öffentliche "Public Forum" der WTO kaum ausfallen können.  Gleichwohl war die jährliche Veranstaltung, mit der die ansonsten hinter verschlossenen Türen agierende Organisation den Austausch mit der Zivilgesellschaft sucht, prominent besetzt. Stargast des  Eröffnungspanels war UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Er stellte Handel in den Kontext der drei großen Herausforderungen für die UN im nächsten Jahr:

  • die Millennium-Entwicklungsziele möglichst weitgehend zu erreichen,
  • die neuen Ziele für globale nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) zu definieren und zu vereinbaren,
  • ein umfassendes, rechtlich verbindliches Abkommen zur Begrenzung des Klimawandels zu schließen.

Handel könne dabei eine zentrale Rolle spielen, indem er durch Wachstum zur Armutsbekämpfung beitrüge. Ban nannte die exportorientierten Entwicklungspfade seines Heimatlands Südkorea und Chinas als Beispiele.  Gleichzeitig könne Handel eine große Belastung für die Umwelt darstellen, sowohl bei der Produktion als auch beim Transport der Güter. Ferner betonte er, unfaire Handelsbeziehungen gehen vor allem zu Lasten der Ärmsten. Die Herausforderung bestehe darin, den Handel mit nachhaltiger Entwicklung und Klimaschutz kohärenter zu machen. Notwendig sei dazu – wie auch im aktuellen Entwurf für die SDG vorgesehen der Abschluss der Doha-Runde mit einem Abbau von Handelshemmnissen, Exportsubventionen und zollfreiem Marktzugang für die ärmsten Länder.

„Brutale Übereinstimmung“ im Allgemeinen

Die Beiträge der chilenischen Präsidentin Bachelet, des Vorsitzenden der päpstlichen Kommission für Frieden und Gerechtigkeit Turkson, des Generaldirektors der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Ryder und der Generaldirektorin des internationalen Verbraucherverbands „Consumers International“ Long folgten derselben Linie. Sie betonten den Nutzen von Handel, der aber mit geeigneten Rahmenbedingungen einher gehen müsste, um allen, vor allem den Beschäftigten und Konsument/innen wirklich zu nutzen, und negative Wirkungen zu vermeiden.  WTO-Generaldirektor Azevedo fiel es vor diesem Hintergrund leicht,  seine Organisation als Teil der Global Governance Struktur darzustellen, welche die Nachhaltigkeitsziele ebenfalls voranbringen wolle. Dazu sei ein intensiver und langfristiger Dialog zwischen allen WTO-Mitgliedern einerseits und der WTO und anderen internationalen Organisationen andererseits notwendig.

ILO-Chef Ryder bemerkte dazu, man befinde sich auf dem Panel in „brutaler Übereinstimmung“ – und in der Tat verlief die Debatte wenig kontrovers. Dies lag jedoch vor allem daran, dass die Frage inwieweit die real existierenden Regeln der WTO die geeigneten Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen Handel bilden,  nicht gestellt wurde.  Auch der jüngste Bericht [PDF] der UN-Konferenz zu Handel und Entwicklung (UNCTAD), der nicht Freihandel sondern eine aktive und gleichzeitig an internationalen Märkten orientierte Industriepolitik als wichtiges Instrument für Wirtschaftswachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern identifiziert, wurde nicht angesprochen.  Eine grundlegendere Debatte über die Nachhaltigkeit des wachstumsorientierten Wirtschaftsmodells deutete sich in der Eröffnungsveranstaltung nicht einmal an.

Widersprüche im Speziellen

Das Panel zu Beginn des zweiten Forumstages, das die Integration Afrikas in den Welthandel zum Thema hatte, verlief ebenso wenig kontrovers. Aufschlussreich war dabei allerdings die Intervention eines Vertreters des westafrikanischen Kleinbauernnetzwerks ROPPA. Er wies auf die Gefahren der internationalen Märkte und der dort herrschenden Machtungleichgewichte hin, und forderte daher, Afrika müsse sich vor allem selbst ernähren.  Als einziger Redner erhielt er dafür spontanen Applaus von vielen Anwesenden im Saal.

In einigen der insgesamt 67 Workshops wurden die Widersprüche zwischen den auf Abbau staatlicher, regulierender Maßnahmen abzielenden Regeln der WTO und einer Nachhaltigkeitsagenda deutlich, die nur durch aktive Politik zu verwirklichen ist. So waren sich die Vertreter/innen von ILO, UNEP (UN Umweltprogramm)  und der Regierung Südafrikas beim Panel zu „Handel und Beschäftigung in einer grünen Wirtschaft“ einig, dass vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer mehr Politikspielraum benötigen als die WTO derzeit zulässt, um die notwendige Transformation ihrer Energie- und Ernährungssysteme in Richtung Nachhaltigkeit vorantreiben zu können.  Auch im Workshop zu Handel und SDGs wurden ähnliche Positionen vertreten.

Azevedo betont „Vertrauensverlust“ durch Blockade des „Bali-Pakets“

Im ursprünglichen Konzept des WTO Forums war ein halber Tag zum Austausch darüber vorgesehen, wie die seit Jahren stagnierende Doha-Runde fortgesetzt werden könnte. Dies war wohl Ausdruck der Hoffnung, dass die Einigung bei der letztjährigen Ministerkonferenz für neue Dynamik in den Verhandlungen sorgen würde, und schon weitere Schritte zum Abschluss der Runde vorgestellt werden könnten. Nach dem die Auseinandersetzung zwischen den USA und Indien wieder zur Blockade geführt hat, wurde der Programmpunkt fallen gelassen. Das Schicksal des Bali-Pakets wurde insgesamt kaum thematisiert. Nur WTO-Generaldirektor Azevedo stellte fest, dass die komplizierten Diskussionen zu Handel und Nachhaltigkeit viel Vertrauen erfordern würden. Vertrauen, das durch Blockade des Bali-Pakets gerade verloren ginge. Damit macht er implizit weitere Liberalisierungsschritte zur Voraussetzung  für die aus Entwicklungs-, Umwelt-, und Arbeitsrechtsperspektive notwendige Reform der Welthandelsregeln.

Ob die WTO auch nur eines dieser Ziele in absehbarer Zeit erreichen kann, ist nach wie vor mehr als offen. Die Mitgliedstaaten der WTO, die nächstes Jahr alle die SDGs verabschieden werden, sollten die Prioritäten richtig setzen.

Gastbeitrag von Tobias Reichert

 

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