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Shrimp-Produktion und Klimawandel: Leben und Arbeit armer Frauen im Süden Bangladeschs

Eindrücke einer Dienstreise von Carsta Neuenroth, Gender-Referentin

 

Von Carsta Neuenroth am

Bangladesch ist eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder. Wirbelstürme treten häufiger auf als früher, der Monsunregen wird unzuverlässiger und die Temperaturen erreichen immer häufiger extrem hohe Werte. Die Folgen sind Überschwemmungen oder Dürren, die zu Ernteausfällen führen, sowie die zunehmende Versalzung von Flüssen und Küstenregionen, besonders im Süden des Landes.

Die besuchte Region hat mit schwerwiegenden ökologischen und sozialen Problemen zu kämpfen. Während der vergangenen drei Jahrzehnte hat sich die Landnutzung im Süden Bangladeschs drastisch verändert. Der auf Selbstversorgung ausgerichtete  Reisanbau ist  zunehmend von der exportorientierten Shrimp Produktion abgelöst worden. Die ökologischen und sozioökonomischen Folgen (Abholzung, Erosion, höhere Windgeschwindigkeit von Zyklonen, Verlust und Versalzung von Ackerland) gefährden zunehmend die Existenzsicherung der armen und von Armut bedrohten lokalen Bevölkerung, besonders der Frauen. Entsprechend nimmt die Abwanderung in die Städte und ins Ausland zu. Die Ursachen der Probleme der Region sind vielfältig und können nicht allein dem Klimawandel zugeschrieben werden.

In den besuchten Partnerorganisationen LEDARS, CCDB und CDP stellen Frauen eine wichtige Zielgruppe dar. Im Mittelpunkt der Projekte stehen meist Einkommen schaffende Maßnahmen und entsprechende Trainings. In allen Projekten wird neues salzresistentes Saatgut  getestet. Thematisiert werden auch Frauenrechte und andere Themen, in der Regel mit Frauen und Männern. Die Aufklärung über den Klimawandel ist eine wichtige Komponente in der Arbeit mit den Gruppen. Die Arbeit der drei Organisationen wird in den in den Text eingefügten Kästen kurz dargestellt.

Die Situation von Frauen und die Geschlechterbeziehungen in Bangladesch

Bangladesch hat während der letzten zwei Jahrzehnte Armut und Hunger erfolgreich bekämpft. Die Zahl der Armen sank von 56,7 Prozent 1991/92 auf 31,5 Prozent im Jahr 2010. Trotzdem bleibt die Erzielung von Nahrungs- und Ernährungssicherheit eine Herausforderung ebenso wie die Reduzierung der Ungleichheit von Einkommen und die geringe wirtschaftlichen Partizipation von Frauen. Nur wenige Frauen sind erwerbstätig; nur eine von fünf findet Arbeit außerhalb der Landwirtschaft. (MDG Report 2013).

Frauen und Männer sind laut Verfassung gleichberechtigt und vor dem Gesetz gleichgestellt, aber in der Praxis werden Frauenrechte häufig nicht verwirklicht, denn die Gesellschaft ist stark patriarchalisch geprägt und Frauen sind während ihres ganzen Lebens von Männern abhängig. Die Regierung will Gewalt gegen Frauen und Mädchen  jedoch bekämpfen und ihre Teilhabe an der Entwicklung des Landes fördern.

Der Zugang zu Bildung hat sich besonders durch die staatliche Förderung von Mädchen verbessert. Auch der Zugang zu Basisgesundheitsdiensten ist besser geworden und die Müttersterblichkeit ist erheblich zurückgegangen.

Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet, obwohl sexuelle Übergriffe, Säureangriffe, Unterdrückung und Vergewaltigung unter Strafe stehen. Das Gesetz lässt sich jedoch besonders in ländlichen Gegenden kaum durchsetzen. Das gleiche gilt für ein Gesetz, das Geben und Nehmen von Mitgift sanktioniert. Die Praxis ist weit verbreitet und bedeutet eine große Belastung für die Eltern von Mädchen, deren Verheiratung von der Zahlung von Mitgift abhängt. Konflikte um die Aussteuer führen häufig zu häuslicher Gewalt und/oder Scheidung. Das wurde bei den Gesprächen mit Frauen während der Reise deutlich. Früh- und Zwangsehen sind keine Ausnahmen. Bangladesch hat eine der höchsten Früheheraten der Welt.

Frauen in den Projektgebieten

Die Veränderung der Landnutzung in den Projektgebieten hat ganz konkrete Auswirkungen auf das Leben der besuchten Frauen. Der Verlust der Selbstversorgung hat dazu geführt, dass sie sich stärker außerhalb des Hauses betätigen können und müssen.

Die besuchten Frauen traten selbstbewusst auf und redeten auch in der Präsenz von Männern. Sie berichteten von den Veränderungen, die sie erlebt haben. Sie sind nicht mehr nur ans Haus gebunden, können sich freier bewegen und wirtschaftlich tätig werden. Sie erzählten, dass ihre Männer es begrüßten, wenn sie zum Haushaltseinkommen beitrügen. Sie fühlen sich respektierter und nehmen an Entscheidungen teil, die ihre Familie und ihr Dorf betreffen. Gemeinsames Essen wurde als Beispiel für positive Veränderungen im Haushalt genannt. Frauen durften in der Vergangenheit z.B. nicht vor den Männern essen.  

Die Gespräche und Interviews zeigten, dass Männer und Frauen unterschiedliche Hoffnungen und Wünsche bezüglich der Zukunft von Töchtern haben. Während Frauen eine höhere Bildung und gute Arbeit für ihre Töchter anstreben und ihnen ein Mitspracherecht bei der Auswahl des Ehemanns zusprechen würden, äußerten einige Männer, dass sie höhere Bildung für Töchter nicht finanzieren könnten. Eine Mitsprache bei der Auswahl des Ehemanns wurde eher abgelehnt.

Die Gespräche mit Frauen und Männern machten deutlich, wie ungemein wichtig die Ehe für eine Frau ist. Sie bestimmt ihre soziale und wirtschaftliche Position. Für jeden Haushalt ist es schwierig, das Überleben zu sichern, aber alleinstehende Frauen stehen vor kaum zu überwindenden Herausforderungen. Sie haben kein Zugang zu Kapital, kein Netzwerk und keine Information, um sich ein Geschäft aufzubauen. Ehe und Familie bilden den Rahmen, in dem Frauen gesellschaftlich anerkannt sind. Außerhalb dieses Rahmens herrschen Diskriminierung, Rechtlosigkeit und Ausgrenzung vor. Verlassene, geschiedene oder unter besonderen Umständen verwitwete Frauen, z.B. die beschriebenen Tiger-Witwen, überleben nur unter schwierigsten Bedingungen.

Während der Projektbesuche berichteten von ihrem Ehemann verlassene Frauen, wie sie überleben. Sie betreiben Fischfang und arbeiten als Tagelöhnerinnen im Straßen- oder Deichbau. Außerdem fällt die Sorge- und Pflegearbeit in der Familie an. Der Fischfang unterliegt saisonalen Schwankungen und die Arbeit im Straßen- und Deichbau fällt unregelmäßig an. Das Einkommen aus beiden Quellen ist gering, die Arbeit schwer und ihre Verfügbarkeit unsicher.  Reicht das Einkommen nicht, um die Ernährung zu sichern oder fallen unvorhergesehene Kosten an, z.B. im Fall von Erkrankungen, müssen Kredite aufgenommen werden. Anfallende Raten werden u. U. über eine erneute Kreditaufnahme finanziert. Es existieren Programme für Bedürftige, deren Zugang jedoch beschränkt ist. Die Situation der Frauen kann sich u. U. verbessern, wenn besonders Söhne heranwachsen und zum Lebensunterhalt beitragen und/oder heiraten, sodass die Familie auf die Aussteuer der neuen Ehefrau zurückgreifen kann. So hatte eine besuchte Familie nach der Heirat des Sohnes die Anzahlung auf ein Boot geleistet.

Ehefrauen leben in den Familien ihrer Ehemänner. Polygamie ist erlaubt, jedoch nicht verbreitet. Nach einer Trennung werden die Frauen in der Regel gezwungen, ihre Schwiegerfamilien zu verlassen. Sie stehen dann vor dem Nichts und gehen zurück in ihre Elternhäuser, in denen sie oft nicht willkommen sind, bedeutet ihre Präsenz doch eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung. Chancen eine neue Ehe zu schließen, haben sie ebenfalls nicht, da sie keine Aussteuer bieten können.   

Trotz einiger Fortschritte ist Bangladesch eine stark patriarchalische ausgerichtete Gesellschaft, in der die strukturelle Diskriminierung von Frauen verankert ist. Während der Reise wurde die strukturelle Benachteiligung von Frauen besonders im Fall verlassener Frauen und Tiger-Witwen sichtbar. Außerhalb von Ehe und Familie und gesellschaftlich ausgegrenzt sind sie der Armut ausgeliefert. Zahlenmäßig ist diese Gruppe wahrscheinlich nicht besonders groß (die Anzahl verlassener Frauen ist unbekannt) aber aufgrund ihrer Armut im Fall von Krisen und Katastrophen eine wichtige Zielgruppe der geförderten Projekte.

Partnerorganisationen von Brot für die Welt

LEDARS

Die Partnerorganisation LEDARS (Local Environment Development and Agricultural Research Society) begleitet etwa 600 arme und meistens landlose Familien im Süden von Bangladesch, um ihre Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu verbessern und ihre Vulnerabilität zu reduzieren. Das geschieht durch Verbesserung der Ernährung und durch Qualifizierung zur  Schaffung von Einkommen. Aufklärung zu Fragen des Klimawandels wird ebenfalls betrieben. 60 Prozent der Zielgruppe sind Frauen. Unter ihnen befinden sich 80 so genannte Tiger-Witwen, deren Ehemänner durch Angriffe von Tigern in den Mangrovenwäldern der Sundarbans umgekommen sind.

Wenn die Männer in den Mangrovenwäldern arbeiten, sind ihre Ehefrauen an bestimmte Verhaltensweisen gebunden. Kommt ein Mann um, wird die Ehefrau dafür verantwortlich gemacht und von der Familie des Ehemanns verstoßen. Sie steht dann vor dem Nichts und wird gesellschaftlich diskriminiert und ausgegrenzt. Die Zahl der Tiger-Witwen ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, weil die Jagd auf Tiger zugenommen hat. Es gibt jedoch noch immer mehrere Hundert. 

LEDARS hat neben den Tiger-Witwen auch von ihren Ehemännern verlassene Frauen als Zielgruppe identifiziert. Die besuchte Gruppe zeigte sich in Bezug auf den Klimawandel gut informiert. Ein Fond für Kleinkredite wird von den Frauen verwaltet. Sie nutzen ihn, um Einkommen schaffende Maßnahmen zu finanzieren, z.B. zum Kauf von Stoffen oder  Fischreusen. Geplant ist der Bau eines Produktionszentrums, in dem die Frauen arbeiten und ihre Produkte verkaufen können. LEDARS wird seit 2010 gefördert. Viele der geplanten Maßnahmen befinden sich im Prozess der Umsetzung, sodass noch keine Aussagen über ihre Wirksamkeit getroffen werden können.    

CCDB

Die Partnerorganisation CCDB (Christian Commission for Development in Bangladesh) ist im ganzen Land tätig und implementiert unterschiedliche Projekte. Im besuchten Projekt steht die Anpassung an den Klimawandel im Mittelpunkt. Dort arbeitet CCBD mit Frauen- und Männergruppen. Jeder Haushalt der am Projekt beteiligten Dörfer ist in einer Gruppe vertreten, entweder durch einen Mann in einer Männer- oder eine Frau in einer Frauengruppe. Häufig werden die Haushalte durch Frauen vertreten, weil die Männer außerhalb arbeiten. Die in den Gruppen organisierten Frauen versuchen über Einkommen schaffende Maßnahmen,  vorwiegend Kleintierhaltung, Gemüsebau und Schneidern, zum Familieneinkommen beizutragen. Im Rahmen des Projekts werden entsprechende Trainings zur Qualifizierung dieser Tätigkeiten durchgeführt. Während des Besuchs wurde über die Möglichkeit der Honigproduktion als neue Einkommen schaffende Maßnahme diskutiert.  Außerdem werden sowohl in den Männer- als auch in den Frauengruppen verschiedene Themen wie z.B. Klimawandel, Frauenrechte und Geschlechterbeziehungen  diskutiert. Die Gruppen werden von Mitarbeitenden von CCBD begleitet. Frauen- und Männergruppen bleiben dabei getrennt. Die Trainings werden jedoch gemeinsam durchgeführt.    

CDP

Die Partnerorganisation CDP (Costal Development Partnership) hat sich zum Ziel gesetzt Frauen, Jugendliche und arme und von Armut bedrohte Haushalte in 33 Dörfern in verschiedenen Regionen Bangladeschs so zu stärken, dass sie sich an veränderte ökologische und wirtschaftliche Bedingungen anpassen können. Die Organisation arbeitet mit acht weiteren NGOs in einem engen Netzwerk zusammen. CDP unterhält ein Informationszentrum, das ausgebaut werden und sich zu Fragen des Klimawandels spezialisieren soll. Geplant für die laufende Projektphase ist weiterhin die Durchführung von partizipativen Risikoanalysen zum Klimawandel in den verschiedenen Projektgebieten. Weiterhin führt der Partner unter Beteiligung der Bevölkerung innovative Pilotprojekte durch, um festzustellen, welche Maßnahmen am geeignetsten sind, um die Anpassungsfähigkeit der lokalen Bevölkerung zu stärken. Frauen sollen durch die Arbeit in Gruppen erfahren, dass sie gemeinsam stärker sind als allein. Weiterhin soll das Wissen zum Klimawandel, besonders von Jugendlichen verbessert werden. Die Erfahrungen von der Basis sollen in lokale, nationale und internationale Advocacy- und Lobbyprozesse einfließen.  

 

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Lachender Junge

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100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € können z.B. 50 Spaten für das Anlegen von Gemüsegärten in Burkina Faso gekauft werden. Dort wird vermehrt auf dürreresistentes Saatgut gesetzt, um trotz Klimawandel genug zum Überleben zu haben.

148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann z.B. ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen in Bangladesch gekauft werden. Dort versalzen immer mehr Wirbelstürme die Böden und das Grundwasser, Trinkwasser ist Mangelware.

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