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„Sozialinvestitionen statt Profitdenken“

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen im globalen Süden sehen die wirtschaftspolitischen Leitlinien der G20 mit großen Vorbehalten. Dementsprechend erwarten sie auch vom Gipfeltreffen im Hamburg kaum positive Signale für Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung.

Von Gastautoren am

Tetet Nera-Lauron, Aktivistin der Nichtregierungs-Organisation IBON International in den Philippinen, kritisiert in erster Linie die Ausrichtung der G20-Politik an den Interessen privater Unternehmen. „Die G20 arbeitet darauf hin, dem privaten Sektor das Geschäft mit der Entwicklung schmackhaft zu machen“, erklärt Nera-Lauron. Wie in anderen internationalen Foren, zum Beispiel der OECD, werde eine zentrale Rolle für Privatunternehmen als unerlässlich bezeichnet. „Auch der Hamburger Gipfel wird dieser Linie folgen,“ sagt die Entwicklungsforscherin voraus.

Obwohl sich die G20 als wichtigstes Forum für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit versteht, verzichtet es nach Ansicht von Nera-Lauron darauf, die großen strukturellen Ungleichgewichte in der globalen Ökonomie zu benennen. Das hat zur Folge, dass vorhandene Ressourcen nicht in die Förderung von nachhaltiger Entwicklung investiert werden – zum Beispiel in Armutsbekämpfung, Maßnahmen gegen Ungleichheit oder Umweltschutz in den Ländern des Südens. „Statt dessen wird weiterhin ein wenig nachhaltiges Konsumverhalten angeheizt.“ Und private Unternehmen können sich über neue, gewinnträchtige Investitionsoptionen freuen.

Nera-Lauron erinnert in diesem Kontext daran, dass nicht der Süden, sondern der reiche Norden vom internationalen Kapitaltransfer profitiert. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen fließen seit dem Jahr 2000 im Jahresdurchschnitt rund 500 Milliarden US-Dollar von armen in reiche Länder. Große Posten bei diesem Kapitaltransfer sind Zinszahlungen für Auslandsschulden und Rücküberweisungen von Gewinnen, die große Unternehmen in Staaten des Südens realisieren.

Diesen Zahlen entspricht das strukturelle Ungleichgewicht in der globalen Governance, siehe G20: Die restlichen 192 Länder haben dort keine Stimme, kritisiert die philippinische Entwicklungsexpertin. „Kein einziges der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) ist dort repräsentiert. Und mit anderen Akteuren wie der Zivilgesellschaft gibt es bestenfalls einen symbolischen Dialog,“ moniert Nera-Lauron.

Gegen den Schulterschluss der großen Länder setzt die internationale Organisation IBON auf Süd-Süd-Vernetzung von unten. Sie arbeitet eng mit sozialen Bewegungen zusammen und fördert das Empowerment von marginalisierten Gruppen. Ein weiteres Arbeitsfeld ist Lobbyarbeit zur Einflussnahme auf internationale Gremien. Der Brot für die Welt-Partner IBON wurde 1978 in der philippinische Hauptstadt Manila gegründet und unterhält Regionalbüros in Afrika und Lateinamerika.

Obwohl die Gruppe der 20 wirtschaftlich stärksten Staaten im Moment der weltweiten Finanzkrise zu einem Forum mit Präsidentengipfeln aufgewertet wurde, hat sie laut Nera-Lauron just im internationalen Krisenmanagement versagt. Unmengen Geld wurde aus Angst vor einem Zusammenbruch in die Finanzinstitutionen gepumpt. Auch wenn damit die Finanzmärkte stabilisiert werden konnten, stehen jetzt viele arme Staaten – die kaum eine Schuld an dem Ausbruch der Krise hatten – ohne ausreichend Mittel da, um die Folgen der Krise zu meistern.

Die Aktivistin warnt vor Stimmen innerhalb der G20, die die Krise für beendet erklären und nun von Wirtschaftsförderung zu finanzieller Konsolidierung, also zu Sparpolitik und Haushaltskürzungen übergehen wollen. „Entsprechend der neoliberalen Rezepte, die die G20 ebenso wie der Internationale Währungsfonds IEF favorisiert, bedeutet dies Einschnitte bei öffentlichen Dienstleistungen, weniger soziale Absicherung und weniger Steuern für die Reichen“, befürchtet Nera-Lauron. Einmal mehr würden die Armen mit sinkenden Einkommen und steigender Arbeitslosigkeit zur Lösung einer Krise herangezogen.

Als Alternative zu der G20-Wirtschaftsstrategie plädiert die Philippinerin für eine Politik, die sich auf die strukturellen Ungleichheiten in der Weltwirtschaft konzentriert. „Auf nationaler Ebene bedeutet dies, dass ausreichend bezahlte Arbeitsplätze für alle geschaffen werden und der Zugang zu essentiellen Dienstleistungen gewährleistet wird“, sagt Nera-Lauron. Die öffentliche Hand müsse genügend Ressourcen für Bildung, Gesundheit, Transport und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen. Auch muss der Staat für eine Priorisierung grüner Investitionen sorgen und in ländlichen Gebieten eine Agrarreform vorantreiben. Die Finanzierung solcher Maßnahmen wird laut Nera-Lauron durch progressive Steuerreformen, eingehende Kontrolle der Kapitalflüsse und weniger Militärausgaben möglich.

Auf internationaler Ebene steht für Nera-Lauron die viel diskutierte Finanztransaktionssteuer im Zentrum. Schätzungen zufolge kann mit einer solchen Abgabe auf oft spekulative Geschäfte jährlich zwischen 10 Milliarden und einer Billion US-Dollar erwirtschaftet werden. Diese Ressource müsste zur Finanzierung von nationalen Sozialinvestitionen, von nachhaltigen Entwicklungsmaßnahmen im Süden und auch für Anpassungsmaßnamen an den Klimawandel eingesetzt werden.

Eine weitere Option zur Finanzierung alternativer Entwicklungswege und sozialer Investitionen wäre ein zweijähriges Moratorium für die Auslandsschulden der Länder im globalen Süden. „Dies würde allein für die 64 höchst verschuldeten Staaten eine jährliche Finanzspritze von gut 30 Milliarden US-Dollar bedeuten,“ prophezeit die Entwicklungsexpertin Tetet Nera-Lauron. Zugleich sei natürlich notwendig, dass multinationale Organisationen wie die G20 dahingehend reformiert werden, dass sie in Zukunft „nur die Politik fördern, die den öffentlichen Interessen der Menschen und des Planeten dient, anstatt nur dem Profit von Unternehmen“.

 

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