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„Suche den Frieden - und jage ihm nach“

Brot für die Welt und Misereor hielten am 14. Januar ihren Neujahrsgottesdienst und Empfang in Bonn ab. Dr. h.c. Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt, predigte zur Jahreslosung 2019. Der Friedensforscher Prof. Dr. Tobias Debiel analysierte die globalen Herausforderungen.

Von Dr. Martina Fischer am

Die gemeinsame Veranstaltung von Brot für die Welt und Misereor steht in einer langjährigen Tradition. Der Gottesdienst in der Bonner Schlosskirche war gut besucht. Cornelia Füllkrug-Weitzel begrüßte in ihrer Predigt die Jahreslosung 2019 ("Suche Frieden und jage ihm nach!") als ermutigende Aufforderung, das Friedensgebot konsequent zu befolgen. Ohne Frieden sei Entwicklung nicht möglich. Friedensarbeit sei daher ein zentraler Bestandteil der Arbeit von Brot für die Welt und seiner Partner. Der Gottesdienst wurde weiterhin durch die Prälaten Martin Dutzmann und Karl Jüsten (als Leiter der kirchlichen Zentralstellen für Entwicklungszusammenarbeit, EZE und KZE), sowie Monsignore Pirmin Spiegel (Leiter von Misereor) gestaltet. Am nachfolgenden Empfang nahmen zahlreiche Mitarbeitende des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), VertreterInnen von NGOs und Kirchen teil. Tobias Debiel, Professor am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen und Direktor des Käte Hamburger Kolleg/Centre for Global Cooperation, skizzierte in seinem Vortrag die globalen Herausforderungen, mit denen entwicklungspolitische Akteure 2019 konfrontiert sind.

Krise des Multilateralismus und Krise der Demokratien

Zu den zentralen Herausforderungen gehört laut Debiel die zunehmende Bedeutung populistischer Akteure, die nicht nur gesellschaftliche Bewegungen steuern, sondern auch Regierungsverantwortung übernehmen. Die Wahl und Amtseinführung Jair Bolsonaros in Brasilien zum Jahresbeginn sieht er in einem größerenTrend, „der in atemberaubender Geschwindigkeit die Welt erfasst hat. Er verbindet einen in den 1990er und 2000er Jahren längst obsolet geglaubten Nationalismus mit rechtspopulistischer Rhetorik und Mobilisierungsstrategien, die sich auf Ausgrenzung und Polarisierung gründen.“ Auch Teile Europas und die USA wurden von dieser Entwicklung erfasst. Der grassierende Rechtspopulismus steht laut Debiel auch für die Erosion der liberalen Weltordnung: „Sie wird nicht allein durch aufstrebende Mächte in Frage gestellt, sondern wird von innen her ausgehöhlt und damit in ihrem Kern bedroht.“ Dies sei nicht nur aus demokratietheoretischer und menschenrechtlicher Perspektive zutiefst beunruhigend, sondern auch in friedens- und entwicklungspolitischer Hinsicht problematisch, denn „Demokratie und Multilateralismus waren die Säulen der liberalen Weltfriedensordnung, die sich nach dem Zerfall des Ost-Blocks und der Sowjetunion in den 1990er Jahren etablierte und zwar mit großem Erfolg: War infolge internationaler Destabilisierung die Zahl der Kriege zwischen 1989 und 1992 noch von 41 auf 51 gestiegen, so erlebte der Globus zwischen 1994 und 2003 schließlich eine Halbierung kriegerischer Konflikte.“ Der Ost-West-Konfrontation folgte also nach zeitweiser Zunahme der Kriege ab 2004 eine Dekade, die von einem Rückgang organisierter bewaffneter Gewalt geprägt war. Seither geriet jedoch nicht nur die multilaterale Verständigung  zunehmend in die Krise, sondern gleichzeitig „erodierten die Grundlagen der liberalen Friedensordnung, die in den 1990er Jahren geschaffen wurden.“ Die Zahl der Kriege stieg seit Mitte der 2000er Jahre sukzessive an und hat nun wieder das Niveau der frühen 1990er Jahre erreicht.

Gleichzeitig, so Debiel, sei der politische und ökonomische Wandel in den Transformations- und Schwellenländern seit 2006 ins Stocken geraten: Während vor zwölf Jahren noch jedes sechste Land demokratische Wahlen in vorbildlicher Weise abhielt, galt dies 2015/16 nur noch für jeden 14. Staat. Die Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit würden beschnitten. Vielerorts untergrabe die Exekutive die Gewaltenteilung, und es seien nicht nur Autokratien, sondern auch die Regierungen demokratischer Staaten, die Rechtsstaatlichkeit und politische Beteiligung einschränken. Besonders stark von dem Negativtrend betroffen seien jedoch Länder im Nahen und Mittleren Osten, teilweise aber auch Staaten in Lateinamerika, Asien und Subsahara-Afrika.

Herausforderungen für die deutsche Politik

Friedens- und Entwicklungspolitik müsse heute auf etwa 50 Kriege reagieren, so Debiel. Das politische Klima sei rauer geworden, sowohl auf der internationalen Bühne als auch innerhalb der europäischen Gesellschaften und auch hierzulande, und die Erosion der liberalen Weltordnung schon weit fortgeschritten: "Wir stehen vor der vielleicht größten Krise der vergangenen drei Jahrzehnte.“ Daraus ergeben sich diverse Herausforderungen für die deutsche Politik. Im internationalen Vergleich stehe die Bundesregierung nicht schlecht da, meint Tobias Debiel. Deutschland sei nach wie vor „ein bemerkenswert multilaterales Land“ das unilateralen Versuchungen widerstehe. Die Regierung müsse aber die „Zeichen der Zeit erkennen“, und den Multilateralismus aktiv verteidigen, "auch gegen den lange Jahre wichtigsten Verbündeten, die USA.“ Die Auseinandersetzungen um den Iran-Deal hätten einen Vorgeschmack geboten, doch „der Ton könnte in einem Moment, da US-Präsident Trump die übliche Partnerschafts- und Freundschaftsrhetorik hinter sich gelassen hat, auch von deutscher Seite aus deutlicher werden.“ Um stärker „Klartext“ reden zu können, müsse Deutschland aber auch selbst multilaterale Verpflichtungen konsequent umsetzen. Hier weise deutsche Politik gravierende Defizite auf: „Klimapolitisch ist Deutschland von einem Vorreiter zu einem Nachzügler geworden. Die Energiewende wird zunehmend verschleppt und der Ausstieg aus der Kohle nur mühsam bewältigt. Das ist ein strategischer Fehler in einer Phase, in welcher Deutschland mit der VR China neue multilaterale Allianzen in diesem Bereich bauen könnte.“

Auch im Feld der Sicherheit bewege sich Deutschland im unterdurchschnittlichen Feld, denn weiterhin bleibe sein Engagement bei den UN-Friedensoperationen defizitär. Als das größte „friedenspolitische Manko der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“ bezeichnete Debiel die Tatsache, dass Deutschland weiterhin zu den größten Rüstungsexporteuren weltweit gehöre und „hinsichtlich der Empfängerländer nicht besonders wählerisch“ sei (z.B. Beispiel Saudi-Arabien, Türkei). Deutschland habe „gerade im Nahen und Mittleren Osten ein großes Potenzial, auch bei Konfliktvermittlungen mitzuwirken – dafür darf es aber nicht selbst zunehmend zum Konfliktbeteiligten werden.“ Defizite und Widersprüche konstatierte Debiel auch in der Menschenrechts- und Entwicklungspolitik.

Menschenrechtsorientierte Entwicklungspolitik

Zwar setze sich die deutsche Bundesregierung bilateral und auch im Rahmen der EU häufig für akut bedrohte Menschenrechtsverteidiger ein, wenn es jedoch um außen-, wirtschafts- oder sicherheitspolitisch relevante Staaten gehe, überlagerten regelmäßig andere Prioritäten die „werteorientierte“ Politik. Dies zeige sich besonders im Rahmen der sogenannten Fluchtursachenbekämpfung. Hier gebe es „eine sehr zwiespältige Zusammenarbeit mit wichtigen Herkunfts- oder Transitländern" die einen problematischen Umgang mit Menschenrechten aufweisen (z.B. Ägypten und Äthiopien). „Wer den Zusammenhang zwischen Demokratie, Menschenrechten, Frieden und Entwicklung ernst nimmt, kann nicht aufgrund von Wirtschafts- und Lobbyinteressen (z.B. bei den Rüstungsexporten) oder innenpolitischen Konflikten (etwa in Folge des Zuzugs von Geflüchteten) auf Länder setzen, die friedenspolitisch und menschenrechtlich versagen und stattdessen auf Militarisierung und Repression setzen. Das ist nicht nur eine Frage der Glaubwürdigkeit, sondern ganz maßgeblich auch eine Frage der Wirksamkeit der Maßnahmen." Da es mächtige Interessen gebe, die einer menschenrechtsbasierten Politik entgegenwirken, bedürfe es zivilgesellschaftlichen Drucks und klarer Ansagen an die Politik, so Debiel. Die Kirchen und kirchlichen Hilfswerke seien erfahren in der Menschenrechtsarbeit vor Ort, „sie nehmen wahr, wie dünn die Luft für demokratische Kräfte und MenschenrechtsverteidigerInnen geworden ist. Umso wichtiger ist es, dass sie auch in Deutschland aktiv als Advokaten der Bedrängten und als ‚watchdogs‘ staatlichen Handelns auftreten. Diese Rolle haben sie bereits in Bezug auf Flucht und Migration erfolgreich ausgefüllt. Aber es gilt, hier konsequent und auch öffentlichkeitswirksam am Ball zu bleiben.“

Programm "BMZ 2030"

Tobias Debiel hinterfragte in seinem Vortrag auch die Entwicklungspolitik der Bundesregierung. Er beklagte, dass der Anteil der Demokratieförderung an der staatlichen EZ, relativ gesehen, gesunken sei. Dies sei in Zeiten einer globalen Demokratiekrise genau der falsche Weg. Es reiche nicht aus, einfach nur die Beträge für die EZ zu erhöhen, sondern man müsse diese zielgerichtet einsetzen und dabei neben Armutsbekämpfung, Ernährung, Bildung und Gesundheit auch Demokratieförderung mit in den Blick nehmen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wurde beim Neujahrsempfang von Ministerialdirigent Dr. Bernhard Felmberg (Leiter der Zentralabteilung Zivilgesellschaft und Kirchen) repräsentiert. Er betonte in seinem Grußwort  die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kirchen und ihren Werken, bekräftigte das Interesse des BMZ am konstruktiv-kritischen Dialog, und lud dazu ein, den internen Strategieprozess des Ministeriums "Programm BMZ 2030" mit zu begleiten.

Der vollständige Vortrag von Tobias Debiel mit dem Titel: „Krisen ohne Ende. Zur Erosion der liberalen Weltordnung“ kann als pdf-Datei im Anhang zu diesem Blog heruntergeladen werden.

 

 

 

 

 

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