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Take it or leave it!

Von Sven Hilbig am

Gestern Nachmittag begann in Nairobi die 10. WTO-Ministerkonferenz. Eröffnungsveranstaltungen von Konferenzen geben stets einen ersten Eindruck, wohin die Reise geht. Manchmal entfachen sie eine Aufbruch Stimmung und geben den Delegierten Mut und Idee, die es braucht, um in den kommenden Tagen intensiv zu verhandeln und einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessen auszuhandeln. Andere Eröffnungen machen die bestehenden Konfliktlinien sehr deutlich. Die Reden bei der Eröffnung der ersten WTO-Ministerkonferenz auf dem afrikanischen Kontinent waren allesamt wenig ambitioniert. Anfangen von der recht formalen Rede des WTO Generalssekretärs Roberto Azevedo, bis hin zum Beitrag der Vertreterin des Gastgeberlandes.

Dabei hätte vor allem die afrikanischen Vertreter/innen Grund genug gehabt, eine „Ansage“ zu machen. Bei der Auswahl Kenias als Austragungsort für die Ministertagung in 2015 waren die Versprechungen und damit geschürten Hoffnungen noch hoch gewesen. Es hieß, Nairobi biete die Chance, den afrikanischen Staaten und ihren Interessen in Handelsfragen weiter entgegenzukommen. Ein halbes Jahr vor Beginn der Konferenz trübten sich die Aussichten. Seit dem Sommer konnten sich die Unterhändler kaum noch auf gemeinsame Verhandlungsziele einigen. Zum Teil ging es bei den Gesprächen mehr darum, was alles nicht in Nairobi auf der Agenda steht. Erschwerend kam hinzu, dass in den USA sich die Stimmen mehrten, in Nairobi das Ende der Doha-Runde zu beschließen  – ohne(!) die zahlreichen noch offenen und strittigen Punkte gelöst zu haben. Einen Tag vor Beginn der Ministerkonferenz setzt der, seit den TTIP-Verhandlungen auch in Deutschland bekannte US-Chef-Unterhändler, Michael Froman, noch einen oben drauf. Gegenüber der Financial Times sagte er: „Auf die eine oder andere Art wird in Nairobi eine Ära zu Ende gehen.“

Ein klarer Affront gegenüber jenen Staaten, die zwar die Liberalisierungsagenda der Doha-Runde kritisieren, andererseits aber die Hoffnung nicht aufgeben (wollen), verschiedene entwicklungspolitische Elemente, der 2001 initiierten Runde, könnten noch erfolgreich verabschiedet werden. Eine solche Äußerung kurz vor Verhandlungsbeginn, hätte eine starke Erwiderung bei der Eröffnung verdient gehabt. Die Tatsache, dass diese Brüskierung zu keiner Gegenreaktion bei den afrikanischen Staaten führte, sagt nicht nur etwas über die gegenwärtige Konferenz, sondern auch über die Machtverhältnisse in der WTO.

Aber wie soll die Doha-Runde beendet werden, wenn nur die USA dies beabsichtigt? Alleine können sie die Entwicklungsrunde nicht für beendet erklären. Sind die Worte von Froman nur heiße Luft? Macht der US-Chefunterhändler einen auf Donald Trump? Erst einmal drauf hauen, dann wird sich schon was bewegen.  

Alles hat seinen Preis 

Wie steht die Bundesregierung zu der Position der USA? Welche Strategie verfolgt die EU? Gebetsmühlenartig erklärt die EU, sie wolle an der Doha-Runde festhalten. Gleiches gilt für die Bundesregierung. Laut dem Bundeswirtschafsministerium ist die WTO nach wie vor der Ort, an dem in erster Linie die Regeln für den Welthandel gesetzt werden sollen. Am 1. Tag der Ministerkonferenz halten Deutschland und die EU an diesen Bekundungen fest. Zugleich spielen sie sich als diejenigen auf, die ihren Einfluss auf „ihre amerikanischen Partner“ gelten machen, damit die Doha-Runde in Nairobi nicht beerdigt wird.

Allerdings stellt die EU, an ihre Bereitschaft, die Doha-Runde weiter zu führen, Bedingungen. Eine Fortführung der Verhandlungen mache für die Europäer nur dann Sinn, wenn „neue“ Themen mit aufgenommen werden. Politische, ökonomische und technische Entwicklung der Weltwirtschaft würden es erforderlich machen, die Themenpalette zu erweitern. Nach jüngsten Verlautbarungen, gehören hierzu Themen wie E-Commerce, Investitionen und Wettbewerbsrecht. Diejenigen unter uns, die WTO-Verhandlungen schon lange verfolgen, werden bei den Themen ‚Investitionen‘ und ‚Wettbewerbsrecht‘ hellhörig. Die Forderungen von EU (und USA) diese beiden Bereiche im Rahmen der WTO zu verhandeln, sind alles andere als neu. Sie sind vielmehr (fast) so alt, wie die WTO selbst. Seit der 1. WTO-Ministerkonferenz, 1996 in Singapur, fordern EU und USA, Investitionen, Wettbewerbsrecht und weitere Themen, wo sie  Wettbewerbsvorteile genießen, in die WTO-Verhandlungen aufzunehmen. Die Mehrheit der WTO-Mitgliedstaaten, allen voran die Entwicklungs- und Schwellenländer, votieren stets gegen die Erweiterung des Verhandlungsmandats. Dieser Konflikt war einer der Hauptgründe für die scharfen Auseinandersetzungen während der WTO-Verhandlungen, 2003, in Cancún. Nur ein Jahr später wurden diese strittigen Themen aus dem Verhandlungsmandat herausgenommen.

Die Machtverhältnisse haben sich zugunsten von EU und USA verschoben

Seit Beginn der TTIP-Verhandlungen wissen auch die Bürger/innen in der EU und den USA, warum der Widerstand der Entwicklungsländer, das Thema Investitionen mit aufzunehmen, so groß war. Kaum ein anderes Thema hat im Rahmen der TTIP-Debatten für so viel Diskussionsstoff geführt und Widerstand herbeigeführt wie die Frage von ausländischen Investitionen und deren Schutz durch private Schiedsgerichte.

Was verspricht sich die EU davon, ihr schon mehrfach gescheitertes Anliegen wieder aufs Verhandlungstablett zu bringen? Und warum kommt der Vorschlag gerade jetzt? Die Antwort ist relativ einfach: Weil sie es in 2015 können! In den vergangenen Jahren hat sich das Blatt zugunsten von EU und USA gewendet.

Nach dem Stillstand bei den WTO-Verhandlungen haben die beiden führenden Wirtschaftsblöcke viel Zeit und Energie in Mega-regionale Abkommen mit anderen Industriestaaten (TTIP, CETA, TTP) sowie sogenannte plurilaterale Abkommen, wie das Dienstleistungsabkommen TISA investiert. Und seit kurzem können sie, und dass ist das Entscheidende, Erfolge vorweisen: TPP und CETA sind abgeschlossen oder stehen kurz vor dem Abschluss.

Mit diesen neuen Abkommen, welche als „Blaupause für den Welthandel des 21. Jahrhundert dienen sollen (Barak Obama), vermitteln sie dem ‚Rest der Welt‘: Wir können auch ohne euch. Entweder die Entwicklungs-und Schwellenländer stimmen der Aufnahme ‚neuer‘ Themen im Rahmen der WTO zu, wenn nicht, dann bringt die EU die Themen in plurilaterale Abkommen ein.

Die rhetorischen Kapriolen der EU, in Nairobi, an der Doha-Runde festhalten zu wollen, können über ihre wahren Ziele und Strategien nicht hinwegtäuschen. Im Oktober 2015 stellte die EU ihr neues handelspolitisches Strategiepapier „Trade for all“ vor. Dort wird bereits deutlich: Für die EU gehört die Zukunft eindeutig den bi- und plurilateralen Abkommen. 

Widerstand formiert sich

Werden EU und USA sich in Nairobi durchsetzen? Die eigentlichen Verhandlungen beginnen erst heute, am zweiten Verhandlungstag. Am Ende des ersten Tages hat sich zumindest schon Widerstand bei den Entwicklungsländern formiert. Neben China, Indien, Südafrika, Ekuador und Venezuela hat sich eine große Gruppe von afrikanischen Staaten für die Fortführung der Doha-Runde – unter dem gegenwärtigen Mandat – ausgesprochen. Bleibt abzuwarten, wer sich mit welchen Interessen bis zum 18. Dezember durchsetzt.

 

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