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Tränengas und Blockade

Die politische Situation und die Sicherheitslage ist für die Menschen in Togo sehr besorgniserregend. Unsere Partnerorganisationen berichten von gewaltsamen Ausschreitungen während Demonstrationen und Einschüchterungen durch Sicherheitskräfte.

Von Johanna Dienst am

Seit einem Monat ist die politische Stimmung in Togo angespannt. Am 19. August fanden in den in den Städten Sokodé, Kara, Anié, Bafilo und in der Hauptstadt Lomé Demonstrationen statt, die die seit 2006 vereinbarten Abkommen über konstitutionelle und institutionelle Reformen in Togo einfordern. Die junge Oppositionspartei Partie National Panafricaine (PNP) hatte zu den Demonstrationen aufgerufen.

Unsere Menschenrechtspartner, die die Lage während der Demonstrationen beobachtet haben, berichten von großer Gewalt zwischen Demonstrierenden und Ordnungskräften. In Anié und Kara wurde gleich zu Beginn der Versammlung Tränengas eingesetzt, um die Menschen, die auf die Straße gegangen waren, auseinander zu treiben. In Sokodé kam es zu Kämpfen zwischen Ordnungskräften und Demonstrierenden. Unterschiedlichen Quellen zufolge kamen mindestens zwei Menschen ums Leben, viele weitere erlitten Verletzungen, zudem kam zu Sachschäden an Gebäuden. 69 Demonstrierende wurden inhaftiert. Weitere Demonstrationen waren von der PNP angekündigt worden.

Die Regierungspartei UNIR reagierte prompt, und setzte zum gleichen Termin Versammlungen an. In der Folge verschob die PNP ihre Demonstrationen auf den 6. und 7. September, ein kluger Zug um Konfrontation zu vermeiden. Partner aus Lomé berichteten von Verfolgungsjagden auf Oppositionelle im Anschluss an die Demonstration am 7. September, Sicherheitskräfte drangen gewaltsam bis in die Häuser ein und nahmen mindestens 100 Personen fest. Mit Hilfe von Menschenrechtsorganisationen konnten 86 Personen wieder aus der Haft entlassen werden.

Die Forderung: Rückkehr zur Verfassung von 1992

Die Reformen stehen seit Jahren auf der Agenda, werden aber seitens der Regierung nicht angegangen. Im Wesentlichen geht es um die Begrenzung des Präsidentenamts auf höchstens zwei Mandate, also zehn Jahre sowie ein zweimaliger Wahlgang. Die Demonstrierenden und die Opposition fordern deswegen die Rückkehr zur Verfassung von 1992, die von der Bevölkerung mit einer überwältigen Mehrheit von 97 Prozent bei einem Referendum bereits Anfang der 1990er befürwortet wurde.

Nach der Welle der Demonstrationen verabschiedete die Regierung mit Zweidrittelmehrheit am 19. Septemer eine neue Gesetzesvorlage. Allerdings wurde ein Satz, der während der Verfassungsänderung in 2002, kurz vor dem Tod des langjährigen Präsidenten Eyadéma Gnassingbé, Vater des amtierenden Präsidenten, gestrichen wurde, nicht in die neue Gesetzesvorlage integriert. Dieser Satz, aus dem Artikel 59 der Verfassung aus dem Jahr 1992, besagt: „En aucun cas, nul ne peut exercer plus de deux mandats“ („Auf keinen Fall darf ein Togoer mehr als zwei Präsidentenmandate ausüben“). In der Folge boykottierten die Oppositionsparlamentarier aber die Abstimmung im Parlament und kündigten neue Proteste für den 20. und den 21. September 2017 an.

Mit ihrem Boykott reichen die Stimmen nicht, die notwendige Vierfünftelmehrheit für eine Verfassungsänderung durch das Parlament kam damit nicht zustande. Damit muss nun - laut Gesetzgebung - ein Referendum über die Verfassungsänderung durchgeführt werden. Würde dem zugestimmt, hätte der amtierende Präsident Faure Gnassingbé rechtlich die Möglichkeit, erneut anzutreten und bis 2020 weiter zu regieren. Damit wollen sich die oppositionellen Gruppen aber nicht zufrieden geben, da hier eine Hinhaltetaktik vermutet wird.

Jahrzehnte dauernden Gewaltanwendung und Machtkonzentration innerhalb einer Familie

Nach dem Tode des Diktators Eyadema, der das Land von 1967 bis 2005 unter massiven Menschenrechtsverletzungen regierte, wurde sein Sohn Faure Gnassingbé Präsident. Mit ihm hat sich die Menschenrechtslage zwar seit 2005 leicht verbessert, aber noch immer kommt es zu exzessiver Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, Inhaftierungen, Folter und Misshandlungen. Die Straffreiheit für Amtsträger im Sicherheitsapparat ist außerdem vielen Kritikern ein Dorn im Auge.

Ende 2016 wurde zwar ein Gesetz verabschiedet, dass die Verjährungsfrist für Folter abschafft – dennoch werden Ordnungskräfte kaum angeklagt. Weitere konfliktgeladene Themen sind die seit 30 Jahren immer wieder verzögerten Lokalwahlen, denen ein Dezentralisierungsprozess vorausgehen muss. Im Juni wurde vom Parlament dazu ein Gesetz verabschiedet, dass die Gemeinden neu aufteilt – allerdings unter sehr ungleichen und umstrittenen Verhältnissen.

Demonstrationen und deren gewaltsame Niederschlagung sind in Togo keine Seltenheit. Vor allem in den letzten fünf Jahren kam es immer wieder zu Toten und Verletzten im Rahmen von Versammlungen und Demonstrationen, die die politischen oder wirtschaftlich-sozial-kulturellen Rechte der Bevölkerung einfordern. Interessant ist nun, wie sich die internationale Gemeinschaft und vor allem die westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS verhält, deren zwölfmonatigen Vorsitz Präsident Gnassingbé seit Juni 2017 innehat.

Partnerorganisationen fordern Erhalt der Meinungsfreiheit

Die Partner in Togo können schon jetzt nicht mehr regelmäßig mit uns kommunizieren, da das Internet zeitweise abgeschaltet wurde. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen in Togo möchten wir die deutsche Öffentlichkeit auf die Situation in Togo hinweisen, die nach wie vor keinen demokratischen Spielregeln folgt.

Die protestantischen Kirchen rufen in einer Stellungnahme zu Frieden und Einigkeit auf und verurteilen alle Formen der gewaltsamen Auseinandersetzung. Gleichzeitig appellieren sie an die politischen Entscheider, mit Dringlichkeit die Reformen einzuleiten, da sich Verdrossenheit und Desinteresse in der Bevölkerung zunehmend anstauen. Dies kann die Voraussetzung für die Einnahme von extremen Positionen sein und stellt eine Bedrohung für die Stabilität des Landes dar.

Die aktuellen Ausschreitungen während der Demonstrationen sind der Beweis für diese Vermutung. CACIT, eine Menschenrechtsorganisation, mit der Brot für die Welt zusammenarbeitet, kann keinen politischen Willen zur Reformierung der Verfassung erkennen. Der Gesetzentwurf, den die Regierung den Parlamentsabgeordneten vorgelegt hat, ist nicht akzeptabel, da er zu viele Hintertüren offenlässt. Sie fordert daher die politische Klasse auf, eine Konsenslösung auszuhandeln.

Für viele Togoerinnen und Togoer ist die Situation jedoch nicht mehr verhandelbar, sie wollen keine Kompromisse mehr machen und fordern eine sofortige Änderung der Machtverhältnisse.

 

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