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UN-Resolution 2467 zu sexualisierter Kriegsgewalt

2019 kann Deutschland als nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat mitreden. Die Bundesregierung setzte das Thema "Frauen, Frieden und Sicherheit" auf die Agenda und drängte auf Verabschiedung von Resolution 2467 zu sexualisierter Gewalt. Frauen- und Friedensaktivistinnen reagierten verhalten.

Von Dr. Martina Fischer am

Bundesaußenminister Heiko Maas hatte die  Resolution 2467 zur sexualisierten Kriegsgewalt zum Auftakt des deutschen Vorsitzes im Sicherheitsrat im April maßgeblich vorangetrieben und gemeinsam mit der Schauspielerin Angelina Jolie dafür geworben. Im März war dazu ein umfangreicher Bericht des UN-Generalsekretärs zum Thema "Conflict-related sexual violence" erschienen. Im Vorschlag zur neuen UN-Resolution monierten die Vereinigten Staaten relevante Aussagen zu den reproduktiven und sexuellen Rechten von Frauen. Diese Passagen mussten schließlich entfernt werden um ein amerikanisches Veto zu vermeiden. Dennoch bewertete Minister Maas den am 23. April verabschiedeten Resolutionstext als "Meilenstein". Frauen- und Friedensorganisationen kamen zu deutlich verhalteneren Einschätzungen. Medica Mondiale, eine in Köln ansässige Organisation, die über langjährige Erfahrung in der Unterstützung von im Krieg vergewaltigten Frauen v.a. in der Balkanregion verfügt, sieht die neue Resolution eher als "Minimalkompromiss", der die Agenda "Frauen, Frieden und Sicherheit" nicht nennenswert voranbringt. Der Text greife bereits Verhandeltes auf und enthalte nichts Neues, so Medica-Referentin Jeanette Böhme. Wichtige Themen, wie zum Beispiel der Schutz von Frauenrechtsverteidigerinnen, hätten keinen Eingang in das Dokument gefunden. Zu begrüßen sei aber, dass die UN-Resolution die Unterstützung der Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt ernstnehme. Immerhin verpflichtet die neue Resolution die UN-Mitgliedstaaten, sich für die medizinische Versorgung von Überlebenden einzusetzen und diese mit Rechtsberatung, psychosozial und ökonomisch zu unterstützen. Aber dass aufgrund des Drucks der USA der legale Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen aus dem Resolutionstext gestrichen wurde, kritisieren Frauenorganisationen hierzulande und weltweit vehement.

Warnungen im Vorfeld

Bereits im Jahr 2000 hatte der UN-Sicherheitsrat mit Unterstützung von FrauenrechtsaktivistInnen aus diversen kriegsbetroffenen Ländern die Resolution 1325 "Frauen - Frieden - Sicherheit" verabschiedet, die dazu verpflichtet, Frauen und Mädchen in bewaffneten Konflikten zu schützen, sexualisierte Kriegsgewalt zu ahnden, Frauen systematisch in Friedensverhandlungen einzubinden und ihre Potenziale für den Friedensaufbau stärker zu nutzen. Mit insgesamt sieben Folgeresolutionen wurden diese Verpflichtungen später nochmals bekräftigt. Es gibt also keinen Mangel an Resolutionen, wohl aber erhebliche Defizite in der Umsetzung der darin erhaltenen Verpflichtungen. Darauf hatten deutsche Frauenorganisationen, darunter z.B. UN-Women Deutschland, das Frauennetzwerk für Frieden, Care, Deutscher Frauenrat, Medica Mondiale und das Gunda Werner Institut der Heinrich Böll Stiftung, im Vorfeld des aktuellen deutschen Vorstoßes hingewiesen. In einer gemeinsamen Stellungnahme begrüßten sie zwar die Ankündigung der Bundesregierung, die Situation von Frauen und "sexualisierte Kriegsgewalt" im UN-Sicherheitsrat zu verhandeln, sie wiesen aber gleichzeitig darauf hin, dass man sich mit der Formulierung einer neuerlichen Resolution möglicherweise "auf gefährliches Terrain" begebe. Die NGOs befürchteten, dass sich eine weitere Resolution eher als Bumerang erweisen und die Agenda "Frauen- Frieden- Sicherheit" schwächen könnte, denn es zeichnete sich seit längerem ab, dass einige mächtige Mitglieder des Sicherheitsrats (Russland, China und die USA) Frauenrechte untergraben und das Selbstbestimmungerecht von Frauen und Mädchen zunehmend in Frage stellen. Auch sahen die NGOs wenig Nutzen in einer weiteren Verlautbarung, weil trotz weiterer Ausdifferenzierung in den vielfältigen Resolutionen auf UN-Ebene bis heute "schwerwiegende Probleme bei der Umsetzung der gemeinsam beschlossenen Vereinbarungen" erkennbar seien. Neue Resolutionen lösten das Problem der schleppenden Umsetzung nicht, so heißt es in der Stellungnahme der NGOs.

Es mangelt nicht an Resolutionen, sondern an der Umsetzung

Auch im internationalen Kontext hielt sich die Begeisterung über den Vorstoß der deutschen Regierung in Grenzen. Madeleine Rees, Vorsitzende der Women's International League for Peace & Freedom, kommentierte die Verabschiedung der neuen UN-Resolution zunächst lakonisch mit den Worten: "It is done. There is a new UN Security Council Resolution (UNSCR 2467), there was no veto. Two abstentions ... and a lot of drama. As the noise from New York reduces we can take a long hard look at what can be done to make the best use of this newest resolution." Neben den oben schon genannten Kritikpunkten bedauerte sie, dass die Resoulution 2467 nichts zur Rechenschaftspflicht von UN-Peacekeeping Einheiten sage, denen in der Vergangenheit zahlreiche Vergehen im Umgang mit Frauen und Mädchen nachgewiesen werden konnten; in der Balkanregion beispielsweise waren UN-Polizisten sogar in Menschenhandel und den Aufbau von Prostitutionsringen verwickelt. und Madeleine Rees gehörte als UN-Mitarbeiterin zu den Whistleblower/innen, die das Ausmaß an sexueller Ausbeutung aufdeckten. Zudem skandalisierte Rees die obstruktive Haltung der US-Regierung, auf die unablässig weiter Druck ausgeübt werden müsse, ihre Haltung zum Thema zu ändern. Allerdings solle man darauf auch nicht zu viel Energie verwenden. Der UN-Sicherheitsrat sei nunmal ein "zerstrittener Haufen", in dem Akteure zusammenkämen, die sich bei ihren Entscheidungen oft an ihren eigenen Interessen und am Publikum in ihren jeweiligen Heimatstaaten ausrichten, daher sei nicht zu erwarten, dass sich dieser wirklich aktiv für die Umsetzung der Resolution engagieren werde. Umso mehr Verantwortung käme den zivilgesellschaftlichen Organisationen dabei zu, die Umsetzung voranzutreiben.

Rechtliche Potenziale der neuen Resolution nutzen

Positiv hob Rees hervor, dass sich 90% der Statements in der Debatte um die neue Resolution im Sicherheitsrat auf die Notwendigkeit der Strafverfolgung und den Zugang zur Justiz konzentrierten. Jenseits der US-amerikanischen Obstruktionen habe es im Sicherheitsrat sehr viel mehr positive als ablehnende Stellungnahmen gegeben: "This shift in discourse is in itself a form of progress."  Immerhin enthalte Resolution 2467 im Vergleich zu den Vorgängerresolutionen geradezu "revolutionäre" Aussagen zur Strafjustiz: dort wird nämlich als Ziel formuliert, Zeugen besser zu schützen und die Verfahrensstandards im Sinne der Überlebenden zu verändern (etwa durch die Möglichkeit nichtöffentlicher Anhörungen). Auch wenn der Text nun keine expliziten Aussagen zum Schutz reproduktiver Rechte aufweise, enthalte er doch diverse Verpflichtungen zum Schutz der Überlebenden vor diskriminierenden Praktiken: "if we look constructively at this language, we might have lost the express statement of protection, but we will not have lost the substance." Auch setze die Resolution 2467 nicht die schon existierende Resolution 2016 außer Kraft, die in diesem Punkt spezifisch sei. Man verfüge also weiterhin über die rechtlichen Rahmenbedingungen, um auch in diesem Bereich Änderungen durchzusetzen. Jedoch bestehe der Realitätstest der nun verabschiedeten Resolution in der Frage, wieviel sie wirklich zur Verbesserung der Situation von Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt beitragen werde ("the greatest test of the importance of the resolution is if it will actually do anything useful for survivors of conflict-related sexual violence, particularly women because of the gendered causes and consequences)."

Weitere Schritte sind nötig: präventive und friedensbildende Maßnahmen

Weitere Schritte seien nötig, so Madeleine Rees: Wann immer ein Mandat für Friedensmissionen erarbeitet oder erneuert werde, müsse der UN-Sicherheitsrat Frauenorganisationen konsultieren und sicherstellen, dass das Mandat die Verpflichtungen der Resolution berücksichtige: Zugang zum Recht, Strafverfolgung, Prävention, Beteiligung von Frauen. Um das in praktische Politik zu übersetzen, werde Personal benötigt. das über Gender-Expertise und gleichzeitig über den Zugang zu politischen Mandats- und Entscheidungsträgern verfüge. Zudem müssten sich die Vereinten Nationen um eine bessere Dokumentation und Berichtspflicht zu sexueller Gewalt auf allen Ebenen bemühen, "sexual violence against all people, including against women and girls, men and boys, and LGBTI people." Nur so könne man die Versorgung der Betroffenen sicherstellen. Resolution 2467 halte Möglichkeiten dafür bereit, es sei nun an den Mitgliedstaaten, UN-Behörden und der Zivilgesellschaft, Allianzen zu bilden, um sie umzusetzen. Das Abrüstungsprogramm der Women's League, "Reaching Critical Will" und die ICAN-Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen hätten bewiesen, dass Menschen in länderübergreifenden Bündnissen viel erreichen können. Madeleine Rees hebt außerdem hervor, dass die Resolution 2467 Gewalt gegen Frauen und Mädchen als ein Kontinuum beschreibe, dessen strukturelle Ursachen angegangen werden müssten, dass irregulärer Waffenhandel eingedämmt werden müsse und eine restriktivere Rüstungsexportpraxis erforderlich sei.

Empfehlungen an die Bundesregierung

Die Stellungnahme der deutschen Frauen- und Friedensorganisationen vom März 2019 präsentierte ebenfalls wichtige Hinweise für weitergehende politische Schritte und richtete konkrete Empfehlungen an die Bundesregierung: Die sollte ihre Zeit im UN-Sicherheitsrat nutzen,

  • um konfliktpräventive und friedensbildende Maßnahmen in den Fokus rücken, Menschenrechtsverletzungen und strukturelle Ungleichheiten adressieren, und das Konzept "menschlicher Sicherheit" stärken;
  • der weltweit fortschreitenden Militarisierung entgegenzuwirken und sich für eine stärkere Kontrolle von Rüstungsexporten und für den Kampf gegen illegalen Waffenhandel zu engagieren;
  • sich dafür einzusetzen, dass bei den VN "Frauenrechtsverteidigerinnen und Aktivistinnen obligatorisch angehört und ihre Konfliktanalysen und politischen Lösungsstrategien berücksichtigt werden"; dies könne durch Einladung zu Side Events oder Briefings bei Debatten des UN-Sicherheitsrats geschehen;
  • darauf hinzuwirken, dass die "Agenda Frauen - Frieden - Sicherheit" in UN-Resolutionen zu Länderkontexten und Friedensmissionen verankert werden;
  • den Fokus auf das "Kontinuum geschlechtsspezifischer Gewalt" zu richten, und sich nicht allein auf das Thema "sexualisierte Gewalt als strategisches Mittel der Kriegführung" zu beschränken;
  • die Umsetzung der UN-Resolution 1325 und aller Folgeresolutionen im Einklang mit der von den Vereinten Nationen 1979 verabschiedeten sogenannten CEDAW-Konvention  voranzutreiben (CEDAW ist die Abkürzung für "Elimination of all Forms of Discrimination against Women");
  • sich dafür einzusetzen, das die Umsetzung der Agenda "Frauen, Frieden und Sicherheit" mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet wird, denn gegenwärtig sei "dieser Politikbereich von Kürzungen betroffen";
  • sich nicht allein auf die Rolle von Frauen als Betroffene, bzw. Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt zu konzentrieren, sondern ihre Potenziale als Akteurinnen in der Konfliktbearbeitung und in Friedensverhandlungen anzuerkennen und zu stärken.

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