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Was hat Ungleichheit mit Agrarpolitik zu tun?

Wie lassen sich die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU mit dem zehnten Entwicklungsziel der Vereinten Nationen vereinen? Welche Hürden bestehen? Eine Bestandsaufnahme.

 

Von Stig Tanzmann am

Agrarökologischer Salatanbau bei Florenz

Das zehnte der insgesamt 17 Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals – SDGs) lautet: „Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern.“1 Dieses Ziel hat es in sich, insbesondere für die Agrarpolitik der EU. Denn das Ziel betrifft sowohl die Innen- als auch die Außenwirkung der GAP. Nach innen geschaut bedeutet dieses Entwicklungsziel, dass die unterschiedlichen Auszahlungen beispielsweise der Flächenprämie zwischen den verschiedenen europäischen Staaten nicht zu rechtfertigen sind und daher sukzessive abgebaut bzw. mittelfristig gänzlich angeglichen werden müssen. Nimmt man dann noch das Unterziel 10.1 hinzu und kombiniert es logisch mit Unterziel 2.3, dann wird deutlich, vor welcher Herausforderung die GAP alleine intern steht, will sie einen ernstzunehmenden Beitrag zur Erreichung der SDGs leisten:

- SDG 10.1 lautet: „Bis 2030 nach und nach ein über dem nationalen Durchschnitt liegendes Einkommenswachstum der ärmsten 40 Prozent der Bevölkerung erreichen und aufrechterhalten.“

- SDG 2.3 lautet: „Bis 2030 die landwirtschaftliche Produktivität und die Einkommen von kleinen Nahrungsmittelproduzenten, insbesondere von Frauen, Angehörigen indigener Völker, landwirtschaftlichen Familienbetrieben, Weidetierhaltern und Fischern, verdoppeln, unter anderem durch den sicheren und gleichberechtigten Zugang zu Grund und Boden, anderen Produktionsressourcen und Betriebsmitteln, Wissen, Finanzdienstleistungen, Märkten sowie Möglichkeiten für Wertschöpfung und außerlandwirtschaftliche Beschäftigung.“

In den meisten ost- und südeuropäischen Staaten wird ein Großteil der ärmsten 40 Prozent der Bevölkerung auf oder vom Land leben. Ihr Einkommen bis 2030 stärker zu steigern als das der übrigen Bevölkerung und gleichzeitig ihre Betriebe zu erhalten, ist ein völlig neuer Blick auf die Aufgaben der GAP. Besonders deutlich wird die Herausforderung, vor der die GAP in diesem Bereich steht, nimmt man die Verdoppelung der Einkommen von kleinen Nahrungsmittelproduzenten, insbesondere Frauen und landwirtschaftlichen Familienbetrieben, aus SDG 2.3 als Richtschnur. Noch interessanter wird es, wenn folgerichtig auch die ganzen Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Obst- und Gemüseplantagen in Spanien, Frankreich und Italien, aber auch im deutschen Spargelanbau, mit in die Überlegungen einbezogen würden.

Aus dieser Sicht müsste die Ausschüttung der Agrarsubventionen radikal in Richtung Ost- und Südeuropa neuausgerichtet werden. Und in Nordeuropa müssten kleine Betriebe massiv bessergestellt werden. Gleichzeitig müsste das Instrument der Flächenprämie generell infragegestellt werden, denn werden mit ihr gezielt Frauen und Landarbeiterinnen erreicht oder nicht viel mehr systematisch diskriminiert? Ein Strukturwandel gemäß dem Motto „Wachse oder Weiche“ ist mit SDG 10 jedenfalls nicht in Einklang zu bringen.

Schon allein die Betrachtung der Innenwirkung, die entfaltet würde, wenn sich die GAP der Herausforderung stellen würde, diese Entwicklungsziele und -unterziele umzusetzen, ist so grundlegend und folgenreich, dass man erst einmal innehalten will, bevor man an die Außenwirkung denkt: Die Export- und Wettbewerbsorientierung der EU-Agrarpolitik wäre im Licht von SDG 10 und SDG 2 auf jeden Fall erst einmal obsolet. Und man würde sich sicher über exklusiven Marktzugang von besonders benachteiligten Gruppen in der ländlichen Bevölkerung, nicht aber von Staaten Gedanken machen. Letztlich müsste die GAP endlich dazu stehen, nicht mehr Agrar-, sondern Gesellschaftspolitik zu sein.


Dieser Beitrag ist im Kritischen Agrarbericht 2019 als Kasten in dem Artikel "Fatale Folgen" von Stig Tanzmann erschienen.

 

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