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Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit

Der in Deutschland beabsichtigte Ausbau der Elektromobilität ist aus umwelt- und klimapolitischer Perspektive zu begrüßen. Zugleich wird aber der zunehmende Bedarf an Rohstoffen die Umwelt- und Menschenrechtskonflikte im globalen Süden verschärfen, wie eine neue Studie von Brot für die Welt belegt.

Von Sven Hilbig am

Die Debatte um das Ende des Verbrennungsmotors und den Ausbau der Elektromobilität hat in Deutschland endlich Fahrt aufgenommen. In Deutschland ist der Verkehrssektor für knapp 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Der Großteil der durch den Straßenverkehr verursachten Emissionen entfällt dabei auf die Nutzung von Pkws. Der Straßenverkehr ist damit einer der wesentlichen Gründe, warum Deutschland Gefahr läuft, seine Klimaschutzziele nicht einhalten zu können. Leidtragende dieser verfehlten Politik sind insbesondere die Menschen im globalen Süden, die kaum etwas zur Entstehung der globalen Erderwärmung beigetragen haben, aber zugleich an den Folgen des Klimawandels, wie langanhaltende Dürreperioden, Starkregenfälle, Stürme und den Anstieg des Meeresspiegels, am meisten zu leiden haben.

Die rasche Abkehr vom Verbrennungsmotor ist daher auch und vor allem eine Frage von globaler Umwelt- und Klimagerechtigkeit. Zugleich ist die Umstellung der deutschen Autoflotte, die sich gegenwärtig auf 56,5 Millionen Kraftfahrzeuge, davon 46,5 Millionen Pkw, auf Elektromotoren aus entwicklungspolitischer Perspektive nicht die Lösung. Dies ist das Ergebnis der von Brot für die Welt, Misereor und PowerShift heute herausgegeben Studie ‚Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit‘.

Steigerung des Rohstoffbedarfs erhöht Konfliktpotentiale

Grund hierfür ist der Umstand, dass die für die immer größeren und schwereren fossil wie elektrisch betriebenen Fahrzeugen notwendigen Metalle, zu nahezu 100 Prozent aus Entwicklungs- und Schwellenländern stammen. Oftmals werden diese unter katastrophalen menschenrechtlichen, ökologischen und sozialen Bedingungen in Ländern des Globalen Südens abgebaut. Das gilt für Metalle wie Stahl und Kupfer, die bereits heute in großen Mengen in allen Autos verbaut werden. Für die Produktion von Batterien für Elektrofahrzeuge werden zusätzliche Rohstoffe wie Kobalt, Lithium, Graphit und Nickel benötigt, deren Verbrauch drastisch ansteigen wird. Bereits 2030 könnte vier Mal so viel Lithium in Elektroautos verbaut werden, wie heute jährlich weltweit abgebaut wird. Betroffen von der erhöhten Nachfrage nach Lithium sind insbesondere die Staaten Argentinien, Bolivien und Chile, an deren gemeinsamen Grenzen sich das sogenannte Lithiumdreieck befindet. Mehr als 60 Prozent der weltweiten Lithiumreserven lagern in den Salzseen dieser Region. Das Lithiumdreieck gilt als eine der trockensten Regionen der Welt. Die Gewinnung des sogenannten „weißen Goldes“,  bei dem für die Herstellung von nur einer Tonne Lithium 2 Millionen Liter Wasser verbraucht werden, stellt für Menschen, Tiere und Pflanzen eine ernsthafte Bedrohung dar.

Auch der prognostizierte Kobaltverbrauch liegt deutlich über den derzeit global geförderten Mengen. In vielen Staaten werden neue Lizenzen für die Exploration oder den Abbau vergeben, was oftmals den Druck auf die dort ansässige Bevölkerung erhöht: Rohstoffabbauprojekte führen sehr häufig zu Landkonflikten, zwischen jenen Menschen, die auf der Erdoberfläche leben und dieses bewirtschaften, und den Unternehmen, die die unter der Oberfläche des Landes befindlichen Rohstoffe ausbeuten wollen, damit sie andernorts, fernab des Abbaugebietes zu Industriegütern verarbeitet werden. Vor diesem Hintergrund kommt die Studie zu der Schlussfolgerung, dass - aus entwicklungspolitischer Perspektive – die Anzahl der Autos in Deutschland (und andernorts) sowie der zurückgelegten Kilometer deutlich zu reduzieren sind.

Die Entwicklung und Umsetzung einer zukunftsfähigen und global gerechten Mobilitätspolitik steht deswegen vor einer doppelten Herausforderung. Im Sinne der Klimagerechtigkeit muss sie, einerseits, ein klares Ausstiegsszenario für den Verbrennungsmotor erarbeiten und ein nahes Datum für das Ende seiner Zulassung benennen. Im Sinne der Rohstoffgerechtigkeit muss sie, andererseits, dafür Sorge tragen, (auch) beim Elektroauto, den Verbrauch von Primärrohstoffen deutlich zu reduzieren ist.

Small is beautiful

Ohnehin übersteigt der Rohstoffverbrauch in Deutschland ein nachhaltiges und global gerechtes Maß. Eine Reduktion von Größe und Zahl der in Deutschland zugelassenen und von der deutschen Autoindustrie weltweit produzierten Autos könnte und sollte, so die Schlussfolgerung der Studie, dazu beitragen, den Rohstoffverbrauch zu senken. Statt in einen Wettbewerb um das größte Auto sollte die deutsche Autoindustrie vielmehr in einen Wettbewerb um die kleinsten und energiesparendsten Modelle treten. Damit könnte Deutschland auch weltweit progressive Standards setzen, die diese Bezeichnung auch verdienen. Dafür müssen klare politische Anreize und Vorgaben in diese Richtung eingeführt werden, zum Beispiel über entsprechende steuerliche Anreize und Mautsysteme, so die Autorinnen der Studie. Außerdem bedarf es einer Verkehrswende, in deren Mittelpunkt der Ausbau und die Förderung von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr stehen.

Weniger ist mehr

Gleichzeitig muss der Verbrauch von Primärrohstoffen auf ein Minimum begrenzt werden. Unter Einbeziehung von Recyclingunternehmen und Umweltverbänden müssen rohstoffspezifische Recyclingziele benannt werden. Statt den Abbau von Primärrohstoffen an Land immer weiter auszudehnen und auf die Tiefsee auszuweiten, müssen Rohstoffkreisläufe endlich geschlossen werden. Ein Pfandsystem für Batterien von Elektroautos, wie es bereits für Starterbatterien existiert, könnte dazu beitragen dieses Ziel zu erreichen. Es müssen außerdem bereits heute Verfahren entwickelt werden, die dazu beitragen, Rohstoffe (z.B. aus Batterien von Elektroautos) möglichst vollständig wiedergewinnbar zu machen. Die Recyclingfähigkeit von in Autos verbauten Rohstoffen muss bereits beim Produktdesign berücksichtigt werden. Damit die Batterie eines Elektroautos über die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs problemlos ausgetauscht werden kann, müssen einheitliche Standards etabliert werden.

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