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Migration - Alltag für Millionen Menschen weltweit

Von Online-Redaktion am

Mehr als 230 Millionen Menschen leben weltweit als Migrantinnen und Migranten außerhalb ihrer Heimatländer. Dies entspricht etwa 3,2 Prozent der Weltbevölkerung – ein seit Jahrzehnten nahezu unveränderter Wert, auch wenn die absoluten Zahlen steigen. Migration ist globaler (Arbeits-)Alltag – für Saisonarbeiter, Fachkräfte oder Menschen, die aus familiären Gründen umziehen, sowie für Studierende, die ins Ausland gehen. 90 Prozent der Migrantinnen und Migranten sind nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) erwerbstätig beziehungsweise haben ein arbeitendes Familienmitglied, das sie mitversorgt.

Wer beschließt, aus beruflichen Gründen, für das Studium oder der Liebe wegen in ein anderes Land zu ziehen, hat die Freiheit und die Möglichkeit, über sein Leben selbst zu entscheiden. Nicht jeder plant, gleich mehrere Jahre oder gar sein ganzes Leben am neuen Ort zu bleiben. Wo es möglich ist, pendeln viele zwischen verschiedenen Ländern. Wenn Migration selbstbestimmt ist, kann sie entwicklungsfördernd sein: Sie trägt durch Austausch von Kultur und Wissen zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sowohl in den Heimat- wie auch den Zielländern bei. Doch Migration hat Schattenseiten: Auch wer sich frei entscheidet, seine Heimat zu verlassen, kennt das Gefühl von Verlust und Entbehrung. Oft profitieren von den Vorteilen des Lebens und Arbeitens in einem neuem Land nicht die Migranten selbst, sondern erst ihre Kinder.

Diese vielfältige Realität von Migration gerät angesichts aktueller Schlagzeilen über Menschen, die auf der Flucht nach Europa sind, leicht aus dem Blick. Die allermeisten Migranten sind keine Flüchtlinge. Auch haben die meisten Menschen andere Länder als Deutschland zum Ziel. Selbst ein genereller Trend Richtung Europa ist nicht erkennbar. 82 Millionen Menschen, das heißt etwa 36 Prozent aller Migranten weltweit, migrieren innerhalb des globalen Südens. Zum Beispiel von Indonesien nach Saudi-Arabien oder von Nicaragua nach Costa Rica. Erst an zweiter Stelle kommt mit 35 Prozent die Gruppe derjenigen, die ihren Lebensmittelpunkt von Süden nach Norden verlegen, etwa von Marokko nach Spanien oder von den Philippinen nach Südkorea.

Die Beweggründe für Migration sind vielfältig, die Kosten und Risiken erheblich. Nicht selten zwingt auch die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen Menschen dazu, ihre Heimatländer zu verlassen. Zum Beispiel, weil ökologische Probleme und die Folgen des Klimawandels die wirtschaftliche Lebensgrundlage zunichte machen und Geld, Technologie oder Wissen für die Anpassung an die veränderten Wetterbedingungen und Naturkatastrophen vor Ort fehlen. 20 Millionen Menschen sind derzeit Flüchtlinge, weil sie aufgrund von Krieg, Gewalt und Verfolgung ihr Land verlassen mussten. Die allermeisten von ihnen suchen Schutz in den unmittelbaren Nachbarstaaten: Neun von zehn Flüchtlingen weltweit leben in Entwicklungsländern.

Die Unterscheidung zwischen Flucht und Migration ist oft nicht eindeutig zu treffen. Denn die Realität ist komplizierter als die Kategorien. Flüchtlinge können zu erfolgreichen Arbeitsmigranten werden, Migranten werden – zum Beispiel durch einen ausbrechenden Bürgerkrieg – zu Flüchtlingen. Staatliche Regelungen werden oft der Lebenswirklichkeit von Migrantinnen und Migranten nicht gerecht, sind hochproblematisch oder missachten gar die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die für alle Menschen gleichermaßen gilt.

Kaum Schutz vor Ausbeutung und prekären Arbeitsbedingungen

Für viele Arbeitsmigrantinnen und -migranten endet der Aufbruch in ein anderes Land in prekären Arbeitsbedingungen, in Ausbeutung und Abhängigkeit bis hin zur Sklaverei. Solche Missstände finden sich in nahezu allen Branchen. Viele Millionen Bauarbeiter, Haushaltskräfte, Erntehelfer und Näherinnen arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen, sind Gewalt ausgesetzt und erhalten nur einen geringen oder unregelmäßigen Lohn. Heruntergekommene Massenquartiere und exzessive Arbeitszeiten sind vielerorts die Regel. Darüber hinaus werden viele Frauen zu Opfern sexueller Ausbeutung. Nicht selten werden Migranten auch von Schleppern oder Arbeitgebern Pässe und Ausweispapiere abgenommen, so dass sie nicht entkommen oder in ihre Heimat zurückkehren können.

Beispielhaft für solche kriminelle Bedingungen sind die Baustellen für die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar. Hundertausende Wanderarbeiter und -arbeiterinnen sind seit Jahren mit dem Bau der Stadien beschäftigt. Ihre Arbeitsplätze sind kaum gesichert und die Löhne schlecht. Bis zu ihrer Fertigstellung, so befürchtet der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB), werden auf den WM-Großbaustellen mindestens 4.000 Arbeiter wegen verheerender Arbeitsbedingungen umgekommen sein.

Dabei gibt es völkerrechtliche Instrumente wie die Wanderarbeitnehmerkonvention der Vereinten Nationen sowie Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die Staaten dazu verpflichten, faire und menschenwürdige Arbeitsmigration zu garantieren. Doch praktisch bleiben diese Vereinbarungen oft folgenlos: Die große Mehrzahl der Staaten hat es bislang abgelehnt, die Wanderarbeitnehmerkonvention zu ratifizieren. Obwohl die Konvention keine zusätzlichen Rechte definiert, sondern lediglich die Allgemeinen Menschenrechte für Arbeiterinnen und Arbeiter, die grenzüberschreitend beschäftigt sind, konkretisiert. Die Konvention betont besonders die Notwendigkeit, den Arbeitern Informationen zugänglich zu machen. Denn zur Verbesserung der Situation von Migranten und Migrantinnen ist es wichtig, dass diese über ihre Rechte Bescheid wissen. Schon bevor Migrantinnen und Migranten ihr Heimatland verlassen, sollten sie Kenntnis über ihre Aufenthalts- und Arbeitsrechte im Zielland haben und wissen, wie sie sich gegen Ausbeutung und Missbrauch schützen können.

In diese Richtung weisen auch die Sustainable Development Goals (SDGs), die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die die internationale Staatengemeinschaft bis zum Jahr 2030 umsetzen will. Zwar sind solche Absichtserklärungen keine Garantie für mehr Gerechtigkeit für alle. Doch sie bringen Dynamik in die Debatte über faire Arbeitsbedingungen, bieten konkrete Indikatoren, an denen sich staatliche Regelungen messen lassen, und schaffen so öffentlichen Druck.

Migration, die vermeintliche Bedrohung

Obwohl in der Politik Entwicklung generell als ein legitimes Ziel gilt, werden Menschen, die ihr Leben durch Migration verbessern wollen, oft diskreditiert, als „Wirtschaftsflüchtlinge“ diffamiert oder, wenn ihre Papiere nicht stimmen, als „illegale Einwanderer“ kriminalisiert. Der polemische Ton vieler Debatten zeigt, dass es oft nicht um sachliche Gründe geht, sondern vielmehr um Furcht oder Feindlichkeit gegenüber Menschen, die als fremd erscheinen.

Die Arbeitsmigration von Entwicklungsländern in Industrieländer steht besonders häufig im Fokus der Kritik. Dabei wird auf zwei Hauptargumente zurückgegriffen. Erstens sei die ungesteuerte Migration von gering qualifizierten Menschen eine Gefahr für die Arbeitsmärkte in den reicheren Zielländern. Zweitens führe die Einwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften zu einem unverantwortlichen Braindrain, also einem Mangel an Fachpersonal, in den ärmeren Heimatländern. Solche Einwände sind jedoch viel zu pauschal. Denn durch kluge Migrationspolitik können sowohl das Zielland, das Herkunftsland als auch die Migrantinnen und Migranten profitieren.

Wirtschaftsfachleute verweisen immer wieder darauf, dass angesichts des demografischen Wandels viele Zielländer dringend auf Migration angewiesen sind, wenn sie ihr Wohlstandsniveau wahren wollen. Und nicht nur Wirtschaftswachstum und Arbeitskräfte spielen eine Rolle. Auch dürfen die gesellschaftlichen und kulturellen Zugewinne und Lerneffekte durch Migration nicht übersehen werden.

Migration als Chance

Viele Herkunftsländer von Migrantinnen und Migranten wiederum profitieren immens von den Geldüberweisungen („Remittances“) der Verwandten, die in der Diaspora arbeiten. Gemessen am Anteil des Bruttoinlandsprodukts sind Tadschikistan (42 Prozent), Kirgistan (32 Prozent) und Nepal (29 Prozent) die drei größten Empfängerländer. Derzeit übertreffen diese Rücküberweisungen alle globalen staatlichen Entwicklungsgelder um das Dreifache. Im günstigsten Fall befähigen sie Familien und Gemeinden dazu, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern, indem sie ein Stück Land pachten oder ein Geschäft eröffnen können und dadurch von den Überweisungen und Migration unabhängiger zu werden. Darüber hinaus übermitteln Migrantinnen und Migranten auch Kompetenzen, Erfahrungen und Kontakte in ihre Herkunftsregionen. Manche kehren außerdem nach einer Weile in ihr Herkunftsland zurück, weil sich dort die Ausgangssituation verändert hat oder es sich aus ihrer Lebensplanung ergibt.

Leitlinien für eine entwicklungsfördernde und menschliche Migrationspolitik

Statt Migrantinnen und Migranten darin zu unterstützen, ihre eigenen Lebenspläne, Hoffnungen und Ziele zu verfolgen, werden durch bestehende nationale wie internationale Gesetzgebung vielerorts Freizügigkeit und Menschenrechte eingeschränkt.

Auch die aktuelle EU-Migrationspolitik der Abschottung trägt dazu bei. Aufgrund dieser reisen nur relativ wenige Hochqualifizierte und Fachkräfte mit entsprechenden Aufenthaltstiteln in die EU-Staaten ein, dabei braucht die Wirtschaft – in Europa wie weltweit – nicht nur gut Ausgebildete. Ganze Branchen sind von weniger qualifizierten Arbeitskräften, Saisonarbeitern und Erntehelferinnen abhängig. Auch für sie bedarf es legaler Migrationsmöglichkeiten, um Schwarzarbeit und ausbeuterische oder ungeschützte Arbeitsverhältnisse zu verhindern. Es ist deshalb nötig, Leitlinien kluger Migrationspolitik zu formulieren.

Eine solche Migrationspolitik muss...

  • ...Arbeitsmärkte für Migrantinnen und Migranten flexibel zugänglich machen, nicht nur für Hochqualifizierte und Fachkräfte, sowie für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und für eine Willkommenskultur sorgen;
  • ...für einen Arbeitnehmerschutz sorgen, der internationalen Standards entspricht und vor Ausbeutung und Missbrauch genau wie vor Gefahren am Arbeitsplatz schützt;
  • ...eine unabhängige internationale Migrationsberatung anbieten, um Migrationswilligen realistische Abwägungen und Entscheidungen zu ermöglichen;
  • ...fair gestaltete Anwerbestrategien einfordern, um den Braindrain für die Herkunftsländer und Ausbeutung der Migrantinnen und Migranten zu vermeiden;
  • ...flexiblere Möglichkeiten zur sogenannten zirkulären Migration bieten, sodass Migrantinnen und Migranten auch für längere Zeit in ihre Heimat zurückkehren können, ohne die Möglichkeit zu verlieren, zum Leben und Arbeiten erneut in das Zielland zu gehen oder sich in anderen Staaten aufzuhalten. So kann Migration Wissens- und Erfahrungstransfer befördern ("Braingain").

Brot für die Welt fördert für die Umsetzung einer solchen Politik einerseits lokale Partnerorganisationen, die Migrantinnen und Migranten unmittelbar unterstützen, und stärkt andererseits auch migrationspolitische Netzwerke, die sich für die Menschenrechte von Migrantinnen und Migrantinnen auf der ganzen Welt einsetzen. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in Südostasien, wo unter anderem hunderttausende Migrantinnen als Hausangestellte, Putzkräfte und Kindermädchen arbeiten. Ihr Lohn und ihre Arbeitsbedingungen sind meist höchst prekär, nicht selten werden sie Opfer von Ausbeutung und Missbrauch. Die von Brot für die Welt unterstützte Asia Pacific Mission for Migrants (APMM) beispielsweise klärt deswegen Migrantinnen in Workshops über ihre Rechte auf, erstellt Informations- und Bildungsmaterial, vermittelt finanzielle und medizinische Hilfe in Notsituationen, übt politischen Druck aus und vernetzt Migrations-Initiativen aus dem gesamten südostasiatischen und pazifischen Raum.

 

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